Kaufhaus Tietz: Unterschied zwischen den Versionen
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Das Fürther '''Kaufhaus Tietz''' - '''Warenhaus Tietz''' wurde [[1900]] am [[Kohlenmarkt]] | [[Bild:Tietz Kohlenmarkt.jpg|mini|right|Zustand nach Renovierung 2010]] | ||
Das Fürther '''Kaufhaus Tietz''' - '''Warenhaus Tietz''' wurde [[1900]] am [[Kohlenmarkt 4]] erbaut und eröffnet. Das Fürther Warenhaus Tietz wurde unter dem renommierten Architekten [[Adam Egerer]] erbaut. Ihm musste das [[1835]] erbaute ''Waßmuth'sche Haus'' weichen, das die Wirtschaft "[[Zum Walfisch]]" beherbergte. Auch das Haus Gartenstraße 2 wurde abgebrochen, um Platz für das neue Kaufhaus zu schaffen. | |||
Die Devise der Warenhäuser war: ''billig verkaufen, um viel zu verkaufen, und viel verkaufen, um billig zu verkaufen''. Beliebt waren auch in Fürth die sogenannten "Weißen Wochen". Das waren verkaufsärmere Wintertage, an denen das Kaufhaus Kunden mit tollen Angeboten bei Haushaltswaren, z. B. Bettwäsche, Gardinen und elektrischen Geräten anlockte. | |||
Der Bruder des Firmengründers, | __TOC__ | ||
== Gründung und Vorkriegsjahre bis 1938 == | |||
[[Datei:Personal-Ausflug Warenhaus Tietz.jpg|miniatur|Belegschaft des Kaufhauses bei einem Betriebsausflug um 1910]] | |||
[[1897]] kaufte Julius Tietz das Grundstück samt Gebäude und ließ auf dem Grundstück das neue Kaufhaus bauen. Hierzu stellte Julius Tietz im Mai [[1897]] beim Stadtmagistrat den Antrag, das erworbene Waßmut'sche Haus abzureißen und anschließend einen Neubau zu errichten. Geplant war eines der ersten Kaufhäuser in Bayern von der Firma Hermann Tietz und Co. (später Hertie) in Fürth zu erbauen. Der Bruder des Firmengründers, Hermann Tietz, errichtet das Kaufhaus u. a. in Fürth, um die Warenhäuser in Süddeutschland zu etablieren. Neben dem Kaufhaus in Fürth mit 900 m<sup>2</sup> Verkaufsfläche existierten somit weitere Kaufhäuser in Nürnberg und Bamberg mit jeweils ca. 1.900 m<sup>2</sup> und in München mit 3.500 m<sup>2</sup> Verkaufsfläche. Das Kaufhaus in Fürth fällt mit den 900 m<sup>2</sup> eher etwas bescheiden aus, da es im Gegensatz zu den anderen Kaufhäusern der Fa. Tietz nur die Bewohner der Stadt Fürth direkt ansprach, also ein kleineres Einzugsgebiet hatte. In den dreißiger Jahren umfasste das Kaufhaus Tietz knapp 50 Beschäftigte. | |||
Julius Tietz, der Bruder von Hermann Tietz und ab [[1886]] Teilhaber an dessen Firma in Nürnberg, ging nach seiner Zeit in Fürth nach Berlin. An der Potsdamer Straße 18 eröffnete er in Berlin erneut ein Kaufhaus, das er bis zu seinem Tod [[1907]] betrieb. Seine Witwe Jenny Tietz (geb. Tietz) übernahm die Geschäfte ebenfalls bis zu ihrem Ableben am 8. Januar 1912. Nach dem Tod von Jenny Tietz wurden die Warenhäuser in eine neue Tietz-Konzern-Gruppe überführt, in die Erbengemeinschaft "Fa. Hermann Tietz & Co. Nachfolger". Die Filiale in Fürth wurde ab 1912 durch eine Geschäftsleitung in Nürnberg geführt. | |||
In Fürth war zu dieser Zeit der Inhaber der Jude Hans Levy, dessen Vater Ludwig Levy [[1905]] die Firma Tietz mit gegründet hatte. [[1929]] übernahm Hans Levy die Geschäfte, der später seinen Namen in Hans Ludwig änderte. Auch seinen jüdischen Glauben legte er ab und wurde Katholik. Bis [[1933]] war Ludwig im väterlichen Geschäft in leitender Stellung tätig und führte das Unternehmen, das nach wie vor der Erbengemeinschaft "Fa. Hermann Tietz & Co. Nachfolger" gehörte, bestehend aus den Arztgattinnen Regine Klopstock, geb. Tietz, und Selma Cohn, geb. Tietz, sowie den Kaufmannsgattinnen Hedwig Dzialozinski, geb. Tietz, sowie Else Dzialozinski, geb. Tietz, alle vier in Berlin wohnhaft. Lediglich die Betriebsführung wurde von Hermann Tietz auf Ludwig Levy übertragen, bis zu seinem Tod im Jahr [[1922]]. Anschließend übernahm seine Witwe Louise Levy die Geschäftsführung. | |||
== Zeit zwischen 1938 und 1945 == | |||
[[1927]] heiratete Louise Levy Theodor Hartner, auf dessen Namen ab [[1933]] die Geschäftshäuser liefen. Damit konnten die Unternehmen vor dem Zugriff der [[Nationalsozialisten]] "gerettet" werden, da nun die Geschäfte in Fürth und Nürnberg formal in deutschen Händen lagen. Trotzdem hatte in der Zeit von [[1938]] bis [[1945]] das Kaufhaus massiv unter dem [[Nationalsozialismus]] zu leiden. Im Rahmen der Boykottmaßnahmen war das Kaufhaus ebenso betroffen, wie durch die Arisierungswelle ab [[1938]] durch die [[NSDAP]] in Fürth/Franken. Für die [[Nationalsozialisten]] waren die Kaufhäuser - trotz Eigentümerwechsels - weiterhin jüdische Geschäfte, so dass diese mehrfach boykottiert wurden. Eine Arisierung konnte jedoch aus formalen Gründen verhindert werden. Eine ehem. Mitarbeiterin berichtete folgendes über die Zeit während des Nationalsozialismus: ''"Ja, wir sind sehr boykottiert worden. Am schlimmsten waren die Frauen. Da gab es Frauenschaften von der Partei. Die standen an den Eingängen und haben zu jedem gesagt 'Man kauft nicht beim Juden'. Ganz schlimm war es an den Parteitagen. Die Parteitage waren immer im September. Jedes Jahr. Und an den Parteitagen, als so viele auswärtige Leute kamen, wurden wir schwer boykottiert. Das war das Schlimmste für uns. Da postierten sich die Frauenschaften vor den Eingängen. Und jeder, der hinein wollte, wurde angesprochen 'Sie kaufen beim Juden'."'' | |||
Ab September [[1933]] führte Hermann Sprickmann-Kerkerinck den Nachlass der Tietz´schen Erben, der eigens hierfür durch die Familienmitglieder in Berlin bevollmächtigt war. | |||
== Die Zeit ab 1945 == | |||
[[Datei:Kaufhaus Weißer Turm.jpg|mini|right|Kaufhaus weißer Turm in den 1960er Jahren]] | |||
Nach dem [[2. Weltkrieg]] konnte Hermann Sprickmann-Kerkerinck erneut treuhänderisch den Nachlass übernehmen. Es folgen weitere Wechsel der Besitzer: ab [[1949]] übernahmen Theo Hartner und seine Frau Margarete Pfeifer aus Velden die Geschäfte in Fürth. Zuvor war der Teilhaber des Kaufhauses verstorben. Am [[24. März]] [[1952]] führte das ''Kaufhaus weißer Turm'', wie es inzwischen hieß, als erstes Kaufhaus in Fürth die Selbstbedienung ein. Im 260 m<sup>2</sup> großen Untergeschoss konnte man mit Handkörbchen und Wagen herumgehen und sich selbst mit Haushaltsartikeln und Lebensmitteln versorgen. | |||
Bis in die 1970er Jahre führte Pfeifer und ihr Sohn, der Rechtsanwalt Hans-Wolfgang Pfeifer, die Geschäfte, bevor das Unternehmen erneut den Eigentümer wechselte. Ernst G. Hartner, Sohn von Theo Hartner, übernahm die Geschäfte und baute das Gebäude für spätere Nutzer um. Zuvor war das Kaufhaus am Kohlenmarkt am [[30. Juni]] [[1968]] geschlossen worden, da es in der "alten Form nicht mehr rentabel weiterzuführen war". Mit der Schließung des Kaufhauses ging auch die Schließung des Restaurants für ca. 100 Personen im 2. OG einher, das zunächst ab [[1950]] im 1. OG war, aber [[1952]] in das 2. OG verlegt wurde. Erschwerend kam hinzu, dass bereits seit [[1966]] eine Veränderungssperre für das Altstadtsanierungsgebiet 2 durch die Stadt ausgesprochen wurde, so dass das Gebäude zunächst keiner größeren Veränderung zugeführt werden durfte. Ab 1968 übernahm das Erdgeschoss eine Lebensmittelfiliale, im 1. OG befand sich ab Februar [[1977]] eine Spielothek, im 2. OG eine Diskothek und ein Tanzcafé. | |||
Weitere Zwischennutzungen des seit [[2003]] leerstehenden Gebäudes waren zeitweise eine Cocktailbar, ein Reisebüro, eine Tanzschule und im Jahre [[2007]] der Jubiläumsladen der Stadt Fürth zum [[1000 Jahre Fürth|1000-jährigen Stadtjubiläum]]. | |||
Im Juli [[2009]] wurde bekannt, dass neuer Eigentümer und Nutzer die [[Raiffeisen-Volksbank]] in Fürth ist, die das Gebäude generalsanierte und am [[25. September]] [[2010]] wiedereröffnete. Das repräsentativ restaurierte Gebäude fungiert seitdem als Zentrale der Raiffeisen-Volksbank Fürth. | |||
== Verwirrung um einen Lichthof == | |||
In einem Büchlein über die Geschichte der Juden in Fürth, englischsprachige Ausgabe von 2010 von Geschichte für Alle, brachte Katrin Kasparek Verwirrung in die Baugeschichte. Sie brachte auf Seite 29 ein Foto von einem Verkaufsraum mit Oberlicht, der dort nie existierte. Das bestand beim Modehaus Fiedler in der Rudolf-Breitscheid-Straße. Die tatsächliche Gestaltung des Verkaufsraumes (Weißwaren-Abteilung) vom Kaufhaus Weißer Turm am Kohlenmarkt mit zwei Bildern findet sich in der deutschsprachigen Ausgabe von "Geschichte der Juden in Fürth", 2. Auflage 2017, S. 29. Auf dem einen Bild mit den drei Verkäuferinnen ist Emma Frank, die nach dieser Tätigkeit ins Büro wechselte. Da musste sie stets vor Betriebsschluss die Umsatzzahlen an die Zentrale vom KWT in Nürnberg telefonisch durchgeben. | |||
== Literatur == | |||
* Peter Frank: ''Das Kaufhaus Weißer Turm (KWT), vormals Warenhaus Tietz, in Fürth, am Kohlenmarkt. Der erste Warenhausbau in Bayern und seine wechselvolle Geschichte''. In: [[Fürther Geschichtsblätter]], 2/2005, S. 39 - 49 | |||
== Lokalberichterstattung == | |||
* ''Erstmals Selbstbedienung in Fürth'', In: [[Fürther Nachrichten]] vom 12. März 1952 | |||
* Johannes Alles: ''Kaufhaus erwacht aus dem Dornröschenschlaf''. Ende des Leerstands: Neue Nutzung für das Gebäude Kohlenmarkt 4 - Raiffeisenbank ist neuer Eigentümer. In: [[Fürther Nachrichten]] vom Juli 2009 (Druckausgabe) | |||
* Johannes Alles: ''Bank und SpVgg-Fanshop unter einem Dach''. In: [[Fürther Nachrichten]] vom 5. März 2010 - [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/bank-und-spvgg-fanshop-unter-einem-dach-1.649844 online] | |||
* Johannes Alles: ''Umbau geht voran''. In: [[Fürther Nachrichten]] vom 29. April 2010 - [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/umbau-geht-voran-1.741876 online] | |||
* Hans von Draminski: ''Neue Innenstadt-Bank''. In: [[Fürther Nachrichten]] vom 13. Juli 2010 | |||
* Sabine Rempe: ''Kaufhaus Tietz, Café Fürst und die Treppe zum Himmel''. In: [[Fürther Nachrichten]] vom 27. August 2016 - [http://www.nordbayern.de/region/fuerth/wandel-rund-ums-further-rathaus-kaufhaus-tietz-cafe-furst-und-der-obstmarkt-1.5444077 Online-Galerie] | |||
* Claudia Ziob: ''War es Tietz oder Fiedler? Rätsel um ein Bild: Wie der Lichthof des Modehauses an den Kohlenmarkt kam''. In: [[Fürther Nachrichten]] vom 29. August 2016 | |||
== Siehe auch == | |||
* [[Warenhaus August Silber]] | |||
* [[Modehaus Fiedler]] | |||
* [[Kohlenmarkt 4]] | |||
== »Zeitverschiebung« == | |||
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Aktuelle Version vom 24. Mai 2024, 09:06 Uhr
Das Fürther Kaufhaus Tietz - Warenhaus Tietz wurde 1900 am Kohlenmarkt 4 erbaut und eröffnet. Das Fürther Warenhaus Tietz wurde unter dem renommierten Architekten Adam Egerer erbaut. Ihm musste das 1835 erbaute Waßmuth'sche Haus weichen, das die Wirtschaft "Zum Walfisch" beherbergte. Auch das Haus Gartenstraße 2 wurde abgebrochen, um Platz für das neue Kaufhaus zu schaffen.
Die Devise der Warenhäuser war: billig verkaufen, um viel zu verkaufen, und viel verkaufen, um billig zu verkaufen. Beliebt waren auch in Fürth die sogenannten "Weißen Wochen". Das waren verkaufsärmere Wintertage, an denen das Kaufhaus Kunden mit tollen Angeboten bei Haushaltswaren, z. B. Bettwäsche, Gardinen und elektrischen Geräten anlockte.
Gründung und Vorkriegsjahre bis 1938[Bearbeiten]
1897 kaufte Julius Tietz das Grundstück samt Gebäude und ließ auf dem Grundstück das neue Kaufhaus bauen. Hierzu stellte Julius Tietz im Mai 1897 beim Stadtmagistrat den Antrag, das erworbene Waßmut'sche Haus abzureißen und anschließend einen Neubau zu errichten. Geplant war eines der ersten Kaufhäuser in Bayern von der Firma Hermann Tietz und Co. (später Hertie) in Fürth zu erbauen. Der Bruder des Firmengründers, Hermann Tietz, errichtet das Kaufhaus u. a. in Fürth, um die Warenhäuser in Süddeutschland zu etablieren. Neben dem Kaufhaus in Fürth mit 900 m2 Verkaufsfläche existierten somit weitere Kaufhäuser in Nürnberg und Bamberg mit jeweils ca. 1.900 m2 und in München mit 3.500 m2 Verkaufsfläche. Das Kaufhaus in Fürth fällt mit den 900 m2 eher etwas bescheiden aus, da es im Gegensatz zu den anderen Kaufhäusern der Fa. Tietz nur die Bewohner der Stadt Fürth direkt ansprach, also ein kleineres Einzugsgebiet hatte. In den dreißiger Jahren umfasste das Kaufhaus Tietz knapp 50 Beschäftigte.
Julius Tietz, der Bruder von Hermann Tietz und ab 1886 Teilhaber an dessen Firma in Nürnberg, ging nach seiner Zeit in Fürth nach Berlin. An der Potsdamer Straße 18 eröffnete er in Berlin erneut ein Kaufhaus, das er bis zu seinem Tod 1907 betrieb. Seine Witwe Jenny Tietz (geb. Tietz) übernahm die Geschäfte ebenfalls bis zu ihrem Ableben am 8. Januar 1912. Nach dem Tod von Jenny Tietz wurden die Warenhäuser in eine neue Tietz-Konzern-Gruppe überführt, in die Erbengemeinschaft "Fa. Hermann Tietz & Co. Nachfolger". Die Filiale in Fürth wurde ab 1912 durch eine Geschäftsleitung in Nürnberg geführt.
In Fürth war zu dieser Zeit der Inhaber der Jude Hans Levy, dessen Vater Ludwig Levy 1905 die Firma Tietz mit gegründet hatte. 1929 übernahm Hans Levy die Geschäfte, der später seinen Namen in Hans Ludwig änderte. Auch seinen jüdischen Glauben legte er ab und wurde Katholik. Bis 1933 war Ludwig im väterlichen Geschäft in leitender Stellung tätig und führte das Unternehmen, das nach wie vor der Erbengemeinschaft "Fa. Hermann Tietz & Co. Nachfolger" gehörte, bestehend aus den Arztgattinnen Regine Klopstock, geb. Tietz, und Selma Cohn, geb. Tietz, sowie den Kaufmannsgattinnen Hedwig Dzialozinski, geb. Tietz, sowie Else Dzialozinski, geb. Tietz, alle vier in Berlin wohnhaft. Lediglich die Betriebsführung wurde von Hermann Tietz auf Ludwig Levy übertragen, bis zu seinem Tod im Jahr 1922. Anschließend übernahm seine Witwe Louise Levy die Geschäftsführung.
Zeit zwischen 1938 und 1945[Bearbeiten]
1927 heiratete Louise Levy Theodor Hartner, auf dessen Namen ab 1933 die Geschäftshäuser liefen. Damit konnten die Unternehmen vor dem Zugriff der Nationalsozialisten "gerettet" werden, da nun die Geschäfte in Fürth und Nürnberg formal in deutschen Händen lagen. Trotzdem hatte in der Zeit von 1938 bis 1945 das Kaufhaus massiv unter dem Nationalsozialismus zu leiden. Im Rahmen der Boykottmaßnahmen war das Kaufhaus ebenso betroffen, wie durch die Arisierungswelle ab 1938 durch die NSDAP in Fürth/Franken. Für die Nationalsozialisten waren die Kaufhäuser - trotz Eigentümerwechsels - weiterhin jüdische Geschäfte, so dass diese mehrfach boykottiert wurden. Eine Arisierung konnte jedoch aus formalen Gründen verhindert werden. Eine ehem. Mitarbeiterin berichtete folgendes über die Zeit während des Nationalsozialismus: "Ja, wir sind sehr boykottiert worden. Am schlimmsten waren die Frauen. Da gab es Frauenschaften von der Partei. Die standen an den Eingängen und haben zu jedem gesagt 'Man kauft nicht beim Juden'. Ganz schlimm war es an den Parteitagen. Die Parteitage waren immer im September. Jedes Jahr. Und an den Parteitagen, als so viele auswärtige Leute kamen, wurden wir schwer boykottiert. Das war das Schlimmste für uns. Da postierten sich die Frauenschaften vor den Eingängen. Und jeder, der hinein wollte, wurde angesprochen 'Sie kaufen beim Juden'."
Ab September 1933 führte Hermann Sprickmann-Kerkerinck den Nachlass der Tietz´schen Erben, der eigens hierfür durch die Familienmitglieder in Berlin bevollmächtigt war.
Die Zeit ab 1945[Bearbeiten]
Nach dem 2. Weltkrieg konnte Hermann Sprickmann-Kerkerinck erneut treuhänderisch den Nachlass übernehmen. Es folgen weitere Wechsel der Besitzer: ab 1949 übernahmen Theo Hartner und seine Frau Margarete Pfeifer aus Velden die Geschäfte in Fürth. Zuvor war der Teilhaber des Kaufhauses verstorben. Am 24. März 1952 führte das Kaufhaus weißer Turm, wie es inzwischen hieß, als erstes Kaufhaus in Fürth die Selbstbedienung ein. Im 260 m2 großen Untergeschoss konnte man mit Handkörbchen und Wagen herumgehen und sich selbst mit Haushaltsartikeln und Lebensmitteln versorgen.
Bis in die 1970er Jahre führte Pfeifer und ihr Sohn, der Rechtsanwalt Hans-Wolfgang Pfeifer, die Geschäfte, bevor das Unternehmen erneut den Eigentümer wechselte. Ernst G. Hartner, Sohn von Theo Hartner, übernahm die Geschäfte und baute das Gebäude für spätere Nutzer um. Zuvor war das Kaufhaus am Kohlenmarkt am 30. Juni 1968 geschlossen worden, da es in der "alten Form nicht mehr rentabel weiterzuführen war". Mit der Schließung des Kaufhauses ging auch die Schließung des Restaurants für ca. 100 Personen im 2. OG einher, das zunächst ab 1950 im 1. OG war, aber 1952 in das 2. OG verlegt wurde. Erschwerend kam hinzu, dass bereits seit 1966 eine Veränderungssperre für das Altstadtsanierungsgebiet 2 durch die Stadt ausgesprochen wurde, so dass das Gebäude zunächst keiner größeren Veränderung zugeführt werden durfte. Ab 1968 übernahm das Erdgeschoss eine Lebensmittelfiliale, im 1. OG befand sich ab Februar 1977 eine Spielothek, im 2. OG eine Diskothek und ein Tanzcafé.
Weitere Zwischennutzungen des seit 2003 leerstehenden Gebäudes waren zeitweise eine Cocktailbar, ein Reisebüro, eine Tanzschule und im Jahre 2007 der Jubiläumsladen der Stadt Fürth zum 1000-jährigen Stadtjubiläum.
Im Juli 2009 wurde bekannt, dass neuer Eigentümer und Nutzer die Raiffeisen-Volksbank in Fürth ist, die das Gebäude generalsanierte und am 25. September 2010 wiedereröffnete. Das repräsentativ restaurierte Gebäude fungiert seitdem als Zentrale der Raiffeisen-Volksbank Fürth.
Verwirrung um einen Lichthof[Bearbeiten]
In einem Büchlein über die Geschichte der Juden in Fürth, englischsprachige Ausgabe von 2010 von Geschichte für Alle, brachte Katrin Kasparek Verwirrung in die Baugeschichte. Sie brachte auf Seite 29 ein Foto von einem Verkaufsraum mit Oberlicht, der dort nie existierte. Das bestand beim Modehaus Fiedler in der Rudolf-Breitscheid-Straße. Die tatsächliche Gestaltung des Verkaufsraumes (Weißwaren-Abteilung) vom Kaufhaus Weißer Turm am Kohlenmarkt mit zwei Bildern findet sich in der deutschsprachigen Ausgabe von "Geschichte der Juden in Fürth", 2. Auflage 2017, S. 29. Auf dem einen Bild mit den drei Verkäuferinnen ist Emma Frank, die nach dieser Tätigkeit ins Büro wechselte. Da musste sie stets vor Betriebsschluss die Umsatzzahlen an die Zentrale vom KWT in Nürnberg telefonisch durchgeben.
Literatur[Bearbeiten]
- Peter Frank: Das Kaufhaus Weißer Turm (KWT), vormals Warenhaus Tietz, in Fürth, am Kohlenmarkt. Der erste Warenhausbau in Bayern und seine wechselvolle Geschichte. In: Fürther Geschichtsblätter, 2/2005, S. 39 - 49
Lokalberichterstattung[Bearbeiten]
- Erstmals Selbstbedienung in Fürth, In: Fürther Nachrichten vom 12. März 1952
- Johannes Alles: Kaufhaus erwacht aus dem Dornröschenschlaf. Ende des Leerstands: Neue Nutzung für das Gebäude Kohlenmarkt 4 - Raiffeisenbank ist neuer Eigentümer. In: Fürther Nachrichten vom Juli 2009 (Druckausgabe)
- Johannes Alles: Bank und SpVgg-Fanshop unter einem Dach. In: Fürther Nachrichten vom 5. März 2010 - online
- Johannes Alles: Umbau geht voran. In: Fürther Nachrichten vom 29. April 2010 - online
- Hans von Draminski: Neue Innenstadt-Bank. In: Fürther Nachrichten vom 13. Juli 2010
- Sabine Rempe: Kaufhaus Tietz, Café Fürst und die Treppe zum Himmel. In: Fürther Nachrichten vom 27. August 2016 - Online-Galerie
- Claudia Ziob: War es Tietz oder Fiedler? Rätsel um ein Bild: Wie der Lichthof des Modehauses an den Kohlenmarkt kam. In: Fürther Nachrichten vom 29. August 2016
Siehe auch[Bearbeiten]
»Zeitverschiebung«[Bearbeiten]
Hier kann per horizontaler Mauszeigerbewegung zwischen zwei deckungsgleich übereinandergelegten Fotos aus verschiedenen Epochen gewechselt werden:
- Foto alt: historische Postkarte
- Foto neu: Aufnahme von 2008 (Foto und Anpassung: Robert Söllner)
Bilder[Bearbeiten]
Das heute von der Raiffeisen-Volksbank genutzte historische Kaufhaus Tietz am Kohlenmarkt nach der Sanierung und Neueröffnung im Herbst 2010.
Der Jubiläums-Shop zum 1000-jährigen Stadtjubiläum 2007 am Kohlenmarkt.
Aufnahmen aus dem Kaufhaus Tietz in NÜRNBERG, ca. 1902. Im Bild der Kronleuchter mit fast 3.000 Glühbirnen! Ein vergleichbarer Lichthof war in Fürth nicht vorhanden, abgesehen vom Lichthof im Modehaus Fiedler.
Luftbildaufnahme der Innenstadt: Rathaus, Brauerei Grüner, Kaufhaus Tietz, Synagoge; Postkarte 1937 gelaufen.
Eintrag im Fürther Adressbuch 1931 der Kaufhäuser wie Kaufhaus Tietz, "Ehape" Schwabacher Straße 28 und Woolworth in der Nürnberger Straße 61
Das Kaufhaus Tietz um 1920.
Das heute von der Raiffeisen-Volksbank genutzte historische Kaufhaus Tietz am Kohlenmarkt.
Gruß von der Fürther Kirchweih, historische Ansichtskarte mit Fotografien am Kohlenmarkt; Königsplatz und in der Königstraße und Volkssänger Hans Bayer, um 1905
Das Rathaus in Fürth, links im Hintergrund das Waßmuth'sche Haus vor dem Abriss für das Kaufhaus Tietz, Postkarte gelaufen im Jahr 1902
Das Rathaus in Fürth, links im Hintergrund das Waßmuth'sche Haus vor dem Abriss für das Kaufhaus Tietz, Postkarte gelaufen im Jahr 1898