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Version vom 19. Oktober 2022, 15:37 Uhr
- Namenszusatz
- Dr. med.
- Vorname
- Ernst Alfred
- Nachname
- Seckendorf
- Geschlecht
- männlich
- Geburtsdatum
- 30. Dezember 1892
- Geburtsort
- Nürnberg
- Todesdatum
- 11. Februar 1943
- Todesort
- Auschwitz
- Beruf
- Arzt
Person | Verwandtschaftsgrad |
---|---|
Barbara Woog | 2. Ehefrau |
Elisabeth Meyners | 1. Ehefrau |
Ernst Seckendorf | Enkel |
Hans Peter Seckendorf | Sohn |
Wolfgang Seckendorf | Sohn |
Dr. med. Ernst Alfred Seckendorf (geb. 30. Dezember 1892 in Nürnberg; gest. 11. Februar 1943 in Auschwitz) war seit 1921 in Fürth niedergelassener Facharzt für Haut-, Harn- und Geschlechtskrankheiten.
Leben und Studium
Der Kaufmannssohn Ernst Alfred Seckendorf legte 1911 das Abitur erfolreich ab und studierte im Anschluss acht Semester Medizin an der FAU in Erlangen und LMU in München (1912 bis 1914). Seckendorf beendete 1919 sein Studium nach dem Ende des 1. Weltkrieges, an dem er bereits seit dem Kriegsantritt 1914 teilgenommen hatte. 1917 wurde Seckendorf verwundet und erhielt für seine Verdienste die Tapferkeitsmedaille. Seine Approbation als Arzt erhielt er am 17. Dezember 1919, 1920 promovierte er zum Doktor der Humanmedizin (Dr. med.).
1918 heiratete er bereits die katholische Elisabeth Meyners. Ein geistig behinderter Sohn war 1919 geboren, der später in einem Kloster betreut wurde bis er in die Heil- und Pflegeanstalt Erlangen verlegt wurde. Ein zweiter Sohn, Hans Peter Seckendorf kam am 25. Februar 1921 in Fürth zur Welt.
Beruf und Deportation
Im Jahr 1921 ließ sich Dr. med. Seckendorf in Fürth als Facharzt für Haut-, Harn- und Geschlechtskrankheiten nieder und war ein geschätzer Arzt in der Fürther Bevölkerung. Während Dr. Seckendorfs Praxis gut lief, hatte er im Privatleben weniger Glück. Seine 1. Frau - Elisabeth Seckendorf (geb. Meyners) - starb bereits am 12. März 1937 in Fürth. Im gleichen Jahr scheiterte sein Emigrationsversuch, da sich bereits abzeichnete, dass er im Nationalsozialismus keine weitere Chance als Jude hatte. 1933 gab es in Deutschland etwa 9000 jüdische Ärztinnen und Ärzte. Bis 1938 waren viele von ihnen schon ins Exil getrieben oder hatten unter der Diskriminierung und dem ständigen Druck verzweifelt ihrem Leben ein Ende gesetzt. Am 30. September 1938 verloren alle verbliebenen 3152 jüdischen Ärztinnen und Ärzte im Deutschen Reich per Gesetz vom 25. Juli 1938 ihre Approbation und damit ihre berufliche Existenz.
Bereits am 20. Januar 1938 wurde Dr. Seckendorf in Fürth verhaftet. Zuvor gab es eine breit angelegte Hetzkampagne im Der Stürmer, in dem u.a. ein großer Artikel über den „Abtreiber Dr. Seckendorf“ mit Fotos seiner Person und seines Behandlungszimmers. Vom Landgericht Nürnberg-Fürth, unter Vorsitz des berüchtigten Dr. Rothaug, wurde Dr. Seckendorf am 28. September 1938 „wegen der sachlich zusammentreffenden Verbrechen der gewerbsmäßigen Abtreibung in Tatmehrheit mit einem Verbrechen der Rassenschande zu einer Gesamtzuchthausstrafe von 10 Jahren und den Gerichtskosten verurteilt. Dem Angeklagten wurden die bürgerlichen Ehrenrechte auf 10 Jahre aberkannt und anschließende Sicherheitsverwahrung angeordnet“. In der Verhandlung führte Dr. Seckendorf aus, dass sein Drang zu helfen grösser als die Angst vor Strafe gewesen sei. In dem Prozess wurde ihm auch vorgeworfen, dass er und die „deutschblütige“ Barbara Woog (geb. 22. November 1908 in Hof, wohnhaft Fürth Königswarterstraße 74) heiraten wollte, somit wurde die Ehe nicht anerkannt.
Im Mai 1942 wurde Dr. med. Seckendorf vom Zuchthaus Amberg nach Rawicz (Posen) und von dort nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Von dort schrieb er am 30. Januar 1943 eine Postkarte an seinen Sohn Hans Peter. Dies war sein letzes Lebenszeichen nur wenige Tage vor seinem Tod. Als Todesursache wird eine angebliche Rippenfellentzündung angegeben.
Dr. med. Seckendorf wurde 31. Januar 1950 zum 31. Dezember 1943 für tot erklärt, bevor sein wirkliches Sterbedatum am 11. Februar 1943 bekannt wurde. Auf Antrag von Barbara Woog wurde die Ehe mit Dr. med. Seckendorf gemäß der Entschließung des Bayerischen Justizministeriums vom 20. Juli 1959 postum mit Wirkung zum 1. Januar 1939 zuerkannt. Barbara Seckendorf starb am 3. April 1982 in Garmisch-Partenkirchen.
In einer Ausstellung anlässlich des 70. Jahrestags des Entzugs der Approbation jüdischer Ärztinnen und Ärzte 2009 wurde u.a. auch sein Schicksal dargestellt. Die Ausstellung war in vielen Bayerischen Städten zu sehen, so auch in der Zeit vom 14. September bis 4. Oktober 2009 am Klinikum Fürth.
Familie
Aus der Ehe mit Elisabeth Meyners stammten zwei Söhne. Der erstgeborene Wolfgang Seckendorf kam 1919 auf die Welt. Von Geburt an lag eine geistige Behinderung des Kindes vor. Während die Familie sich anfänglich um den Sohn selbst kümmerte, wurde er vermutlich im Rahmen der sog. T4-Aktion am 21. April 1941 in das Bezirksklinikum in Erlangen eingewiesen. Seine Überführung in eine private Pflegschaft wurde auf Grund der Auswirkungen seiner Behinderung abgelehnt, womit er einer Zwangssterilisation entging. Nach jahrelangen vergeblichen Bemühungen eines Nachfahren aus der Familie ist es erst jüngst gelungen, näheres über den Verbleib des Sohnes während seines Aufenthaltes in der Erlanger Anstalt in Erfahrung zu bringen. So war aus den inzwischen freigegeben Akten zu entnehmen, dass Wolfgang Seckendorf zunächst in der "Kohlegruppe" und dann in die "Gartengruppe" eingesetzt wurde. Bereits am 13. Februar 1942 verstarb er in der Einrichtung. Als Todesursache wird eine Typhuserkrankung angegeben, mit der sich einige Insassen und Personalangehörige angesteckt haben sollen.[1]
Der zweite Sohn, Peter Seckendorf, kam am 25. Februar 1921 in Fürth auf die Welt. Er konnte dem Nationalsozialismus und dem 2. Weltkrieg durch permanente Flucht entgehen und siedelte sich nach dem Krieg als Geschäftsmann in Garmisch-Partenkirchen an. Dort verstarb er im Alter von 86 Jahren am 9. Mai 2007. Sein Sohn Ernst Seckendorf widmet sich seit längerem der eigenen Familiengeschichte. Ihm ist es zu verdanken, dass inzwischen mehr über den Verbleib von Wolfgang Seckendorf in der Erlanger Einrichtung in Erfahrung gebracht werden konnte.
Lokalberichterstattung
- Gabi Pfeiffer: Berufsverbot als Schritt ins Verderben. In: Fürther Nachrichten vom 19. September 2009 - online abrufbar
Literatur & Weblinks
- Herausforderungen, 100 Jahre Bayerische Gesellschaft für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Anthuber, Beckmann, Dietl, Dross, Frobenius (Hrsg.), Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, 2012, S. 104 ff.
- Nathanstift und Frauenklinik in Fürth, Barbara Ohm, Kamran Salimi (Herausgeber; Klinikum Fürth), Fürth, 2010
- Entrechtet. Entwürdigt. Beraubt. Die Arisierung in Nürnberg und Fürth, Begleitbuch zur Ausstellung im Doku Zentrum vom 17. November 2012 bis 31. Juli 2013, Hrsg. Matthias Henkel & Eckhart Dietzfelbinger, Michael Imhof Verlag, Petersberg, 2012, S. 71 f.
- Gisela Naomi Blume - Memorbuch Fürth - Stand 07.04.2013 | 00:55 Uhr
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Ernst Seckendorf, Schreiben (Mail) an FürthWiki vom 10. April 2019