Johann Georg Heinrich Lotter
- Vorname
- Heinrich
- Nachname
- Lotter
- Geschlecht
- männlich
- Geburtsdatum
- 7. Februar 1871
- Geburtsort
- Fürth
- Todesdatum
- 16. Dezember 1950
- Todesort
- Fürth
- Beruf
- Lebküchner, Chronist
Johann Georg Heinrich Lotter (geb. 7. Februar 1871 in Fürth, gest. 16. Dezember 1950 in Fürth/Krankenhaus) war ein Fürther Lebküchner, Hobbyfotograf und Liebhaber der Stadtgeschichte. Er entstammte der bekannten Fürther Lebküchnerfamilie Lotter. Er wohnte in der Wasserstraße 23,[1] dort war auch ein Laden der Lebküchnerei und Spezereihandlung J. G. Heinrich Lotter.
„Lebküchner, Privatier, Fotograf, Literat, Junggeselle“
So beschrieb ihn Dr. Herbert Jungkunz in seiner 2001 herausgegebenen Publikation „Das Tagebuch des Daniel Lotter 1934 – 1946“. Daniel Lotter war der Bruder von Heinrich Lotter. Daniel führte das elterliche Geschäft (Bäckerei, Lebküchnerei) weiter. Seinen Bruder Heinrich schildert er in seinen Aufzeichnungen von 1934 und Dr. Jungkunz kommentiert:
„Onkel Heiner, ein Junggeselle, der sich hauptsächlich dem Schachspielen und vor allem dem Fotografieren hingegeben hat, wohnte im Haus der Eltern in der Wassergasse [Wasserstraße 23/Ecke Gartenstraße]. Er war ein Sonderling, der an den Folgen einer Diphterie litt und nur mit ganz hoher Fistelstimme sprechen konnte. Wegen seines unverträglichen Wesens sei er zum Geschäftsmann untauglich gewesen.“[2]
Guten Kontakt hatte Heinrich Lotter zu den jüdischen Mitbürgern. Das zeigen seine zahlreichen Fotos von wohl bekannten jüdischen Geschäftsleuten und Angehörigen freier Berufe. In einer Biografie des Kaufmanns Philip Seligsberger findet sich folgende Schilderung in Englisch: Die meisten der passionierten Leser des Lesesaales des Handelsverbands – mit sechs überregionalen Zeitungen - (verbunden mit der Leihbücherei) waren jüdisch. Eine der Ausnahmen war ein pensionierter „manufacturer“ mit Namen Lotter, ein schmaler Herr, immer gekleidet in einem altmodischen Cutaway-Anzug. Er war eine stadtbekannte Erscheinung, ein etwas verschrobener Exzentriker, dessen Eigenart es war, zu den sonntäglichen Morgenkonzerten mit seiner Kamera zu kommen und einige der hübschesten Mädchen um Erlaubnis zu fragen, sie fotografieren zu dürfen.[3]
1928 erschien ein von Heinrich Lotter verfasster „Führer durch die Stadt und ihre Umgebung“. Die empfohlenen Rundgänge durch die Stadt und jenseits der Flusstäler hatte Lotter mit vielen Bildern angereichert. Herausgeber des Büchleins waren der Verkehrsverband Nordbayern und der Verschönerungsverein Fürth. Dieser Führer wurde bei seinem 60. Geburtstag am 7. Februar 1931 in der Nordbayerischen Zeitung wie folgt gewürdigt: In diesem Führer hat Herr Heinrich Lotter mit vorbildlichem Fleiß alle bekannten Schönheiten der Stadt Fürth, aber auch eine ganze Anzahl selbst dem Einheimischen nicht immer geläufig gewesener, verborgener Stimmungswinkel von architektonischem und landschaftlichem Reiz und von geschichtlicher Bedeutung in Wort und Bild zusammengetragen. Seine publizistische Tätigkeit zugunsten der Vaterstadt erstreckte sich weiter auf zahlreiche Aufsätze und bebilderte Schilderungen der bisher außerhalb noch lange nicht genug gewürdigten Stadt Fürth, namentlich der Altstadt.[4]
Besondere Aufmerksamkeit fand ein in der illustrierten Halbmonatsschrift „Das Bayernland“ erschienener Aufsatz "Ein Streifzug durch Alt-Fürth und seine Geschichte“, der in tausenden von Exemplaren gedruckt und auch auf Tagungen auswärtiger Verbände für Fürth höchst wirksame Werbung machte.
Unerschöpflich betätigte sich der Lokalpatriotismus Heinrich Lotters im Aufsuchen von immer neuen verbogenen Reizen der Vaterstadt, die sein Schönheitssinn zu Hunderten im Lichtbild festgehalten, teils in Prosa geschildert, teils auch in Versen verherrlicht hat. So echtes Heimatempfinden und solch überaus dankenswerte, weil selbstlose Betätigung im Propagandadienst für unser liebes Fürth lässt wünschen, dass ihnen beste Aktivität noch weiter beschieden ist.
Heinrich Lotters Antwort an die Redaktion:[5]
- Ich huldige dem Photosport /
- Und knips’ drauf los auf Brand und Mord. /
- Ich hab’ vor allem Fürth durchforscht, /
- Die anderen Städte sind mir „worscht“. /
- Von Fürth-Bildern – klingt’s nicht toll? /
- Ist schon das zweite Tausend voll. /
- Ich hab für alles Schöne Sinn. /
- Weil ich nicht nur „Landschaftler“ bin. /
- Ich will damit einst Fürth bedenken /
- Und alles dem „Museum“ schenken. /
- Doch, weil es noch nicht fertig ist, /
- So bleibt mir eine längere Frist. /
- Da kann ich sicher noch entdecken /
- Schönheiten, die in Fürth wo stecken. /
- (…)
Von Oberbürgermeister Dr. Wild wurde Heinrich Lotter in einem Dankschreiben wie folgt gewürdigt: [6] Heinrich Lotter habe an ihn ein Schreiben gerichtet, worin er darauf hinweist, dass er bestrebt sein werde, den Führer durch die Stadt Fürth weiter zu vervollständigen und das Material sowohl als auch seine Sammlung von über tausend Photographien, worunter sich sehr malerische Aufnahmen aus unserer Vaterstadt befinden, dereinst der städtischen Sammlung zukommen zu lassen. Oberbürgermeister Dr. Wild gibt der Freude Ausdruck, dass Herr Lotter soviel Liebe zu seiner Vaterstadt habe, um dieser dereinst seine systematisch geordnete Sammlung zu überlassen.
Zu seinem 65. Geburtstag im Februar 1936 würdigte die Nordbayerische Zeitung den „sehr verdienten Mitbürger, bewährten Mitarbeiter und Freund“. Sein Lokalpatriotismus habe sich schon oft durch die Tat bewährt, so bei der im guten Andenken stehenden Ausstellung „Alt-Fürth“ und bei verschiedenen lokalen Aufsätzen.
So ist zum Beispiel ein im Juni 1933 erschienener Artikel über die Realschule an der Ecke Hirschen- und Mathildenstraße mit Lotter-Bildern angereichert. Fünf bekannte Lehrer hatte er auf ihrem Weg in die Schule oder auf Spaziergängen aufgenommen. So den kleinen Chemieprofessor Dr. Heinrich Langhans (späterer Rektor), den Konrektor Heinrich Danschacher, den eleganten Französischlehrer Dr. Dibétar, den Mathematikprofessor Sattelberger, genannt „Männla“, und den weißbärtigen Turnlehrer Ernst Wiedemann.
Aus einem Zeitungsbericht über eine Ausstellung der Photo-Amateure Fürth im Kunstverein vom Mai 1932 ist mehr über die von Lotter bevorzugten und eingereichten Bilder zu erfahren: Es sind Motive zum Thema „Heimat“ aus dem Stadtpark, aus „Alt-Fürth“ und Stimmungsbilder aus der nächsten Umgebung von Fürth. Zum Thema „Mensch, Arbeit und Sport“ bringt Lotter Aufnahmen zu „Jugend und Alter“, „Fürther Sportmädchen“, „Marktbilder“, „Straßenfiguren“ und „Von der Liebe und vom Flirt“. Dazu vermerkt der Organisator der Ausstellung, sie seien neben der Unmittelbarkeit und Charakteristik stets von einem künstlerischen, oftmals auch humoristischen Hauch umwittert. Lotter sei ein feiner Beobachter und lässt seinen Apparat stets dann arbeiten, wo sich ein Charakterzug äußert, der ihm wert erscheint, festgehalten zu werden. Ob es sich dabei um Sportmädel, dicke Marktfrauen, Soldaten oder Gelehrte handelt, ist für seine Wiedergaben einerlei.[7]
Heinrich Lotters Neffe Hans Lotter (1912-2007), Lebküchnermeister und langjähriger liberaler Stadtrat, ein profunder Kenner seiner Heimatstadt Fürth, schrieb in den Jahren 1984 bis 1986 für die Fürther Nachrichten eine 46-teilige Reihe unter dem Titel „Fotografierte Fürther Stadtgeschichte“. Dazu wählte er Fotos aus der Sammlung von Heinrich Lotter aus. Die Serie fand großen Anklang und wurde 1987 als Buch veröffentlicht.
Schon 1984 veröffentlichte die Stadtsparkasse Fürth einen Bildkalender heraus mit Fotografien aus „Alt-Fürth“, betitelt „Damals in Fürth“. Die 12 Bilder hatte Hans Lotter zur Verfügung gestellt. Ab 1993 bis 2004 folgt die Serie „Fürther Alltagsgeschichten“ mit weiteren Bildern aus der Sammlung Heinrich Lotter. Nun wurden weniger die baulichen Veränderungen im Stadtbild behandelt. Zunehmend standen die Menschen im Mittelpunkt, die Heinrich Lotter auf seinen Spaziergängen durch die Stadt getroffen hatte: die Dienstmänner, Straßenhändler, Verkäufer, Stadtpolizisten, Militärpersonen der Garnison, Marktleute, Straßenkinder, Schüler, Lehrer, tierische Hausgenossen usw. Aber auch die Freizeitvergnügungen der damaligen Zeit brachte Hans Lotter in Wort und Bild.
2007 wurden die von Dr. Herbert Jungkunz übernommenen Originalfotos Lothar Berthold zur Verfügung gestellt, der sie digital erfasst und auf CD-ROM dem Stadtarchiv Fürth überließ.[8] Es waren insgesamt über 3.900 Fotos.
Auf die digitalen Bilder wurde im Herbst 2009 der im Stadtarchiv recherchierende Stadtgeschichtsforscher Peter Frank aufmerksam. Gemeinsam mit Dr. Herbert Jungkunz und Ingelore Barthelmäs sichtete er alle Fotos und kommentierten und kategorisierte im Archivsystem das auf den Bildern zu sehende. 2010 folgte erstmalig eine Fotoausstellung im Schloss Burgfarrnbach zum speziellen Thema „Menschen auf der Straße“. Das Ergebnis konnte ab 6. September 2011 in den drei Ausstellungsräumen und Vitrinen besichtigt werden.
Zusammenfassend kann gesagt werden: Die HL-Fotos sind Bild-Dokumente der Stadthistorie, die in einem Atemzug mit denen von Ferdinand Vitzethum („FeVi“, 1903-1968) und Fritz Wolkenstörfer („Wolke“, 1901-1978) genannt werden sollten. Von diesen beiden sind bereits 963 bzw. ca. 600 Fotos digital im Archiv erfasst. Alle drei waren Bildchronisten, die bei ihren fotografischen Streifzügen (bei FeVi hieß es gar „fotografische Pirschgänge“ auf der Motivsuche) das bunte Leben und Treiben in Fürth mit Schnappschüssen aus dem Zeitgeschehen aufgezeichnet haben. Alle drei nahmen auch Fotos während der Zeit des Nationalsozialismus auf.
Veröffentlichungen
Dies ist eine Liste von Medien rund um die Stadt Fürth, die von "Johann Georg Heinrich Lotter" erstellt wurden.
Untertitel | Erscheinungsjahr | Autor | Verlag | Genre | Ausführung | Seitenzahl | ISBN-Nr | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Fürth in Bayern (Buch) | Führer durch die Stadt und ihre Umgebung | 1928 1911 | Verschönerungsverein Fürth Johann Georg Heinrich Lotter | Albrecht Schröder's Buchdruckerei | Touristica | 68 72 |
- Heinrich Lotter: Das alte und das neue Fürth, in: Das Bayerland, 37/1926, Heft 11, S. 321 - 352
Sonstiges
Seiner Leidenschaft, der Fotografie, widmete er folgendes Gedicht:
"Ich huldige dem Photosport - und knips drauf los auf Brand und Mord. Ich hab vor allem Fürth durchforscht - die andern Städte sind mir worscht"
Lokalberichterstattung
- Der Flaneur mit der Kamera. In: Fürther Nachrichten vom 7. September 2011 - online abrufbar
Namensvetter
Bereits in Zeitungsannoncen von 1838 bis mind. 1849 sowie im Adressbuch von 1854 wird ein Johann Georg Heinrich Lotter als Lebküchner und Spezereihändler genannt. Dieser Heinrich Lotter wurde 1845 zum Ersatz-Gemeindebevollmächtigten ernannt.
Siehe auch
- Lotter, Namensklärung
- Lotter Namensdiskussion
- Hans Lotter
- Daniel Lotter
- Lebküchner
- Gänsberg
- Ferdinand Vitzethum
Weblinks
- Historische Fotografien von Heinrich Lotter - online abrufbar
- Fotoausstellung im Schloss Burgfarrnbach - Menschen auf der Straße
Einzelnachweise
- ↑ Adressbuch Fürth i. B. 1931, II. Teil, S. 183; Haus wurde 1967 abgerissen, Hausnummer 23 existiert nicht mehr
- ↑ Herbert Jungkunz: Das Tagebuch des Daniel Lotter, Eigenverlag, Fürth, 2001
- ↑ Ruth E. White: A Coat of Many Colors. Online abrufbar bei Rijo research 2.0 - Seite 69 ff.
- ↑ Nordbayerische Zeitung, 7. Februrar 1931, Druckausgabe
- ↑ Nordbayer. Zeitung vom 9. Februar 1931
- ↑ Fürther Tagblatt vom 20. Februar 1931
- ↑ Paul Rieß: Rießchronik 1911 - 1945, Eigenverlag, Fürth
- ↑ StA Fürth, Katalog Nr. Av 115
Bilder
Werbung im Fürther Tagblatt vom 7. Dez. 1884