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Was wäre ein dichter,dessen wesen nicht der gesteigerte ausdruck der Volksseele ist .

GERHART HAUPTMANN

Man kann sagen, daß Gerhart Hauptmann, dessen 100. geburtstag wir dieses jahr feiern, diesen satz vor die meisten sei­ ner werke gestellt hat. Denn er, der ja der bedeutendste Vertreter des naturalis­ mus’ in Deutschland ist, hat von diesem naturalismus behauptet, daß er nur eine rückkehr zum volksmäßigen, natürlichen wa re. Hier soll nun nicht ein lebenslauf Haupt­ manns wiedergegeben werden, sondern er soll an hand seines Verhältnisses zu and£ ren dichtem und Schriftstellern charakte_ risiert werden. Von Henrik Ibsen, mit dem er auch einige male persönlich zusammentraf, wurde Haupjt mann in einigen seiner frühen werke sehr stark beeinflußt, obwohl er aber eigene gedanken in Weltanschauung, ehe und Ver­ erbung zeigte. Kr war von der schärfsten menschenverachtung Ibsens beeindruckt, z .b. wie Ibsen in seinen letzten stücken sei­ ner mitweit einen spiegel Vorhalt: "er hat den menschen mit 3, 4 scharfen brillenins herz geschaut." Auch Shakespeare hatte anfangs großen ein fluß auf Gerhart Hauptmann. Aber er wand­ te sich später von ihm ab, weil ihm eines_ teils die chaotische art der szenenfiih rung (z.b. Hichard III.) mißfiel. "Früher dachte ich nur an bhakespeare als gäbe es nichts anderes neben ihm. Jetzt bin ich durchaus davon abgekommen.bei allem schuh digen respekt: zu viel und ausschließlich Shakespeare kann eine hemmung sein und die habe ich erfahren" oder aber,"noch als ich 'Schluck und Jau' schrieb (dazu wurde er durch einen stoff von Shakespeare ange regt) dachte ich es gäbe nichts über S., aber seitdem hebe ich mich doch über ihn'.' Kehr bewegt war hauptmann von dem brief­ wechsel zwischen Schiller und Goethe, vor durch die förderung und befruchtung, die dieser gedankenaustausch auf die werke der beiden dichter erzeugte. Kr beklagte sich oft darüber, daß es in der deutschen li­ teratur keine ähnliche dichterfreundschaft gebe. "Der briefwechsel klingt so, als ob sich zwei schuster unterhalten, aber es sind doch ein paar wundervolle schuhe da­ bei zustande gekommen. Mit Goethe fühlte sich ja Hauptmann in

so vielem wesensverwandt, wenn ihm auch die Pedanterie Goethes fremd anmutete. Im gegensatz zu Goethe konnte sich Hauptmann auch nicht selbstbetrachtend objektivieren, da ja Goethe zu seinen früheren werken immer einen kühlen abstand genommen ha be, sich selbst als Objekt betrachtet und kritisiert habe,und auch einige sonderbare kritische bemerkungen Uber seine früh­ werke gemacht habe. Mit Goethe war er aber der meinung, daß man im schöpferischen keinen Charakter bewahren könne. Haupt­ mann nannte den Urfaust den genialsten wurf des 21- jährigen Goethe. Er war davon überzeugt, daß nur das unmittelbare, er­ schütternde erleben eines prozesses gegen eine kindsmörderin dem der junge Goethe als jurist beigewohnt hatte,die zentrale bedeutung, die die Gretchentragödie in der dichterischen for­ mung des "Paust" erhalten habe, erkläre. Er war ja selbst durch einen prozess gegen eine kellnerin zu dem stück " Rose Bernd" bewegt worden. Bei Schiller war er der meinung, daß er selbst sich von diesem (aber auch von Goethe) durch ein soziales tiefengefühl, durch zeit und familientradition bedingt, abhebe. Er benützte oft den satz Schillers, daß der dichter der einzig wahre mensch sei, der beste Philosoph wäre nur eine karikatur gegen ihn, schränkt ihn aber auch gleichzeitig durch die feststellung ein, daß man auch im dichterischen philosophieren kann. Hauptmann machte Schiller den vorwurf, zu oft dem drängen von schau Spielern nach einem paradestück nachgegeben zu haben. Er war aber sehr von Schillers "geschichte des dreißigjährigen krie­ ges" fasziniert. Er rühmte daran die dichterische sicht und die wunderbare klarheit der einzelgestalten. "Es ist aber seht sam, daß Schiller als dichter die figuren anders geformt haT als der historiker Schiller." Wallenstein wird z.b. Charakter lieh problematischer dargestellt, als der ins edle weisende tragische held des dramatischen dichters. Hauptmann konnte nicht begreifen, wie Goethe mit seiner doch urtümlichen dich^t kunst in der Volkstümlichkeit so lange hinter Schiller hatte zurückstehen müssen, dessen Zitate doch fast bis zur geschmadc losigkeit popularisiert worden sind. Bei Friedrich Hölderlins werken vermißte Hauptmann die vitali_ tät. Er fand zwar, daß dessen dichtung erlebt wäre, aber das erlebnis öei immaterialisiert. Als Hauptmann in Rom todkrank lag, hat Hölderlin neben ihm gelegen und war sein einziger trost gewesen. Hölderlin sei etwas dem tode verbundenes, aber für den lebenden menschen fehle seiner weichen art etwas eben die wahre Vitalität. Hauptmann empfand Rainer Maria Rilke, mit dem er auch im briefwechsel stand, für zart und echt. Er nannte ihn einen "halben Hölderlin". Seinen stil sah er für einen barocken ma­ nierismus zartester art an. Für Hugo von Hofmannsthal prägte Hauptmann das wort " zauber­ glanz". Besonders hoch schätzte er dessen "gerettetes Venedig'.' Er war mit Hofmannsthal persönlich bekannt, und dieser weilte auch einige male auf Wiesenstein, dem wohnsitz Hauptmanns. Schluß folgt

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