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46 – 12/13�  Altstadtverein Fürth

einen auffällig langen Quaderstein als Relikt nicht mehr vorhanden (Abb. 6) – wahrscheinlich wie beantragt abgerissen worden. Es zeigt sich, dass die Auffassung Boeners über den Standort der „Kapelle“ und die des Pfarrers unterschiedlich waren und man schon damals nicht mehr genau wusste, welche Mauerreste die eigentlich „wahre Kapellenruine“ gewesen sind, denn in Boeners Abbildung erscheint dieser Quader (Mauerrest?) bereits als unerklärlich sinnloser Randstein an der Straße während er seine eigene Ruinendarstellung – soweit erkennbar – weiter nördlich in der Wiese kartiert hat. Boeners „Kapellenruine“ kann also nicht dieselbe gewesen sein, die 26 Jahre davor von Pfarrer Lochner an der Straße beschrieben wurde, es sei denn, dass die Abbildung Boeners aus der Zeit von vor 1679 stammt und das Kapellendenkmal 1855 am falschen Standort errichtet wurde. 4. Keiner von denjenigen, die seit nun 415 Jahren darüber geschrieben haben, hat demnach in Fürths Wiesen entweder eine intakte Kapelle gesehen oder die Überreste eindeutig zuordnen können. Sie ist Ausdruck einer lokalen Mythologie ähnlich wie der inzwischen abgetragene „Kaiser Karl-Berg“ in der Pegnitzaue, die sich wohl erst zum Ende des 17. Jahrhunderts im Rahmen eines neuen Geschichtsbewusstseins um Fürth und seiner historischen Bedeutung nach der Schlacht an

Abb. 6: Stich von J.A. Boener Fürth von Westen 1705�

der Alten Veste endgültig eingeprägt hat aber ähnlich wie in Altenfurt bereits seit dem Mittelalter existiert haben kann. Will man nun von diesen legendären Ruinen die Urkirche Fürths ableiten, fehlt nach wie vor ein realer Ansatzpunkt für solche Interpretation, da unklar bleibt, aus welcher Quelle Johannes Müllner seine Nachricht erfahren hat und tatsächlich eine uralte mündliche Überlieferung zur frühen Kirchengeschichte Fürths dahinter steckt. Darüber hinaus fehlt ein Anhaltspunkt, dass Müllners Identifikation der Ruine als Kapelle überhaupt richtig war (siehe ALTSTADTbläddla 44, 2010/11, S. 38 mit Abb. 7). Es fehlt eine zeitgenössische Bestätigung des Patroziniums, die Ursache für die Zerstörung und letztlich der dazu gehörende Zeitpunkt, alles Merkmale, die über die untergegangene Mutterkirche eines Pfarrsprengels irgendwo festgehalten oder wenigstens erwähnt sein müssten. 5. Dennoch steht der Mythos einer Kapelle im Raum, ohne dass damit

die von Boener sichtbar gemachten Überreste des frühen 18. Jahrhunderts gemeint sein müssten. Jede andere Möglichkeit zu beten, wenn man die gefahrvolle Furt durchquert, sollte seit der Etablierung des Christentums im 12. Jahrhundert in Betracht gezogen werden. Dabei braucht die alte Forschungsfrage von der Errichtung christlicher Bauten an Stellen uralter Flussopferniederlegungen oder sonstiger Kultplätze nicht weiter berührt zu werden, wäre aber ein zusätzlich interessanter Gedanke. Die vermeintliche „Kapelle“ hätte dann sogar eine Gemeinsamkeit mit der Altenfurter Rundka-

Repro Werner

pelle. Wenn vor dem Dreißigjährigen Krieg auf der Aueninsel steinerne Gebäudereste des Mittelalters noch sichtbar waren, ist damit noch lange nicht gesagt, dass darin auch die Anfänge der Besiedlungsgeschichte Fürths zu sehen sind, denn die stabile Bauweise ist doch eher dem Untergrund in der Aue geschuldet als einem besonders hohen Alter. Sie zeigt lediglich, dass es eine Zeit gegeben hat, in der die Qualität der Bausubstanz höher war als die Bauweise der so genannten „Schwedenhäuser“ des 16./17. Jahrhunderts – also ein wirtschaftlicher Strukturwandel stattgefunden hatte. Der Fund

Abb. 7: Graphische Darstellung eines Ösenhenkels 11./12. Jh. � Zeichnung BLfD.

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