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So sehe ich Borchert

Borchert, so sagt man, schreibe aus einer ausschließ­ lichen tendenz zum Nihilismus. Sein plastizieren der unmenschlichkeit und ungöttlichkeit der weit,der dump fen gleichgültigkeit der menschen sei zu drastisch,um auch nur das geringste suchen nach einem sinnvollen Inhalt der weit oder naoh einem neuen,verläßlichen morgen erkennen zu lassen. Doch dies bedeutet nur Oberfläche« Gleioh Camus, der, anfangs atheist, später das abso lute Nihilismus verneinte, ihn als lehensfeindlich hinsteilte und für eine bejahung der menschlichen exi stenz eintrat, zeigt uns auch Borchert das unmöglicher des absoluten neinsagens; besonders in seinen erzäh­ lungen "Das Brot" und "Nachts schlafen die Ratei doch? Diese beiden erzählungen lassen deutlich die absloht Borcherts erkennen: Nämlich eiine bruderschaft der men sohen, die sich nicht irgendwo später in der "fata raorgana des Christentums" realisieren muß,sondern ein zig und allein hier - Jetzt. “ Hinter dem aufschrei des haßes gegen gewalt und dun­ kelheit leuchtet eine ungeheuere liebe zur weit, zur natur und zum menschen selbst. Brät bei der begegnung des Du kann sich die angst des einsamen, diese wirre finsternis lösen und aus dem schrecklichen nebel her­ vor tritt eine erträgliche sonnige weit. Borchert benützt dazu keine konstruierten literatur­ gestalten, sondern einfach seine umweit} auoh wir er­

kennen uns in ihnen, unseren nächsten.Eine szene,kura aufgeblendet, kurz registriert; die handelnden Perso­ nen sind sich ihrer rolle meist gar nicht bewußt. Da­ durch erscheint der mensch in seiner ganzen größe, in seinem ganzen elend. Der mensoh wächst über den men­ schen, und ist doch nichts anderes als eben mensch. Weit wirksam und vor allem für uns aktuell ist das ge mälde "Der Wahnsinn des Krieges", das uns Borchert so eindringlich, so plastisch malt. Von diesem weg des Wahnsinns weg, weg auch von dem wi derspruch der wirklichen weit, von dem bild, das wir uns von ihr machen zeigt uns Borchert den neuen, ver­ läßlichen morgen ... den morgen der bruderschaft der menschen.

Borcherts Vision ist die der Zerstörung des menschen durch den menschen selbst. Mit zu den letzten zeilen die er schrieb gehören folgende: "Du. Mann an der maschine und mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasser­ rohre und keine kochtöpfe mehr machen - sondern Stahl­ helme und maschinengewehre, dann gibt es nur eins: SAG NEIN ! Du. Pfarrer auf der kanzel. Wenn sie dir morgen befeh len, du sollst den mord segnen und den krieg heilig sprechen, dann gibt es nur eins: SAG NEIN ! UND HEUTE ?

h. Stephan

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