Altstadtverein Fürth
�42/07
Hausgeschichte
20/1985
Waagplatz
Waagplatz-Impressionen
Puadignibh erostrud enis (Foto: ???)
Impressionen sind etwas sehr Subjektives und Persönliches, daher zunächst etwas zu meiner Person: In Landshut machte ich eine Lehre als Keramikerin und absolvierte in Franken meine Gesellenjahre. Nach der Meisterprüfung im Sommer 1984 suchte ich geeignete Räume für eine Werkstatt und fand tatsächlich das „Traumhaus“ – den sogenannten „Schuppen“ am Waagplatz, nach seiner Renovierung durch die Bürgervereinigung allerdings kein Schuppen mehr, sondern ein Schmuckstück. Zum Auf30
takt erhielt ich von den Hauseigentümern und der Bürgervereinigung viele Tipps und Unterstützung; reges Interesse erfuhr ich von meinen zukünftigen Nachbarn. Eine Atmosphäre also, in der ich mich sofort ( und immer noch) pudelwohl fühlte. Die Eröffnung meiner Ladenwerkstatt fand fast deckungsgleich mit der turbulenten Fürther Altstadtweihnacht Anfang Dezember 1984 statt. Mit dem Entschluss, hier meine Werkstatt zu errichten, betrat ich Neuland, denn in Fürth war ich vorher selten gewesen. Was dann alles auf mich zukam, und was mir der Waagplatz bedeutet, möchte ich im Folgenden schildern. Nach der Altstadtweihnacht war ich erst mal urlaubsreif!
Doch selbst in den Ferien, Anfang Januar, wurde ich wegen dringend benötigter Geschenke in den Laden gebeten. Aber vom Geschäft soll hier nicht die Rede sein. Das erste Vierteljahr 1985 war dann allerdings eine ruhige Zeit. Kontakte mit der Nachbarschaft, die sich als recht herzlich erwiesen, konnten geknüpft oder intensiviert werden. Im Januar legte ich mir den Hund „Hannemann“ zu, der inzwischen gut versorgt auf dem Lande lebt. Mit ihm kamen reichlich Kinder aus der Nachbarschaft – Kinder, die viel Zuwendung benötigten. Ab Februar gab ich Töpferkurse, dreimal wöchentlich, zweieinhalb Monate lang, zwei bis drei Teilnehmer pro Abend. Die Zusammenarbeit machte viel Spaß, doch ich kam mit meinem Arbeitspensum nicht zügig genug nach: Der Ausstellungsraum sollte gut bestückt sein, die Aufträge erledigt werden und dann benötigte ich noch ausreichend Ware für Kunsthandwerkermärkte, die im Frühjahr begannen. Lieber mache ich eine Arbeit vollständig, als viele Dinge halb fertig; folglich mussten einige Vorhaben gestrichen werden: dem Thema „Kachelofen“, eine sehr zeitintensiv Angelegenheit, widme ich mich vorerst nicht! Es gab und gibt keine neuen Kurse mehr, denn die Werkstatt allein füllt mich rund um die Uhr aus. Der Hund kam auf‘s Land und von dem großen Kinderansturm auf die Werkstatt blieben ein 10-jähriges türkisches Mädchen und ein 12-jähriger Junge „übrig“, die mich oft nach der Schule besuchen und allerlei zu erzählen haben.
S., 17 Jahre alt, ein Junge, der in Deutschland geboren wurde und türkische Eltern hat, wohnt jetzt leider in einem anderen Stadtteil Fürths. Um Kohlen zu transportieren, lieh er sich immer „das Sackarre“. Also übten wir Deutsch und er besorgte sich sogar einen dicken Schmöker über dies Sprache. Zeitweise half er bei einem Gemüsehändler aus. Eines Tages stellt ich fest, dass er das „Einmaleins“ nicht besonders gut beherrschte und ich fragte ihn, wie er denn mit dem Bezahlen im Laden zurecht käme. Das sei ganz einfach, erklärte er mir. Er legt das Obst auf die Waage und drückt auf die Taste, auf der die entsprechende Ware abgebildet ist. Die Zahl, die erscheint, ist der zu zahlende Betrag. Ich bracht einige Überzeugungskünste auf, dass Rechnen wichtig sein; dann übten wir einige Stunden lang Grundkenntnisse des Rechnens. Ich habe hier nur drei Kinder/Jugendliche erwähnt, mit denen ich mehr Kontakt habe. Aber auch die, die früher wegen des Hundes kamen, suchen hier etwas, was sie offensichtlich brauchen und sonst wohl zu wenig bekommen: jemanden, der ihnen zuhört und auf sie persönlich eingeht! An dieser Stelle sei bei der Stadt die Einrichtung eines Arbeitsplatzes für sog. „Streetworker“ angeregt, eine Aufgabe, die im Altstadtviertel den ganzen Tag ausfüllen würde! Als ich noch in Nürnberg lebte, schlugen meine Bekannten die Hände über den Kopf zusammen, als sie erfuhren, dass ich in Fürth eine Ladenwerkstatt eröffnen wolle. Der „Fürther“ sei ja so stur. Im Mai siedelte ich mit der Wohnung von Nürnberg nach Fürth über. „Sture“ sind nämlich nicht mein Fall!