Neue Mitte I

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Die Pläne

Im Juli 2008 überraschte die Fürther Stadtspitze die Öffentlichkeit mit der Planung einer „Neuen Mitte“ im Stadtzentrum, wo zwei größere Gewerbebrachen und eine – zwar nicht übermäßig florierende, aber doch intakte – Hauptgeschäftsstraße verortet sind. Die Planung wollte man weitgehend dem portugiesischen Konzern Sonae Sierra überlassen, der beispielsweise in Berlin das Shopping-Center „Alexa“ errichtet hat. Die Eckdaten der Planung lauteten: 12.000 qm Grundfläche, 45.000 qm Nutzfläche, 25.000 qm Verkaufsfläche. Der Abriss des Bestandes sollte im Sommer 2009 beginnen, die Eröffnung des Shopping-Centers im Jahre 2011 erfolgen. Dazu hätten ein ganzes Viertel abgerissen und zwei Straßen aus der öffentlichen Widmung genommen werden müssen. Die Rudolf-Breitscheid- und die Hallstraße sollten überdacht werden und zu einem Verteilerflur mutieren, der als Straße weder benutzbar noch erlebbar gewesen wäre – auch deswegen nicht, weil die Rudolf-Breitscheid-Straße auf rund 40 m Länge flächig aufgerissen werden sollte. Rund 20, zum Teil historische Gebäude wären betroffen gewesen. Unter den historischen, aber aufgrund von Veränderungen nicht denkmalgeschützten Gebäuden befand sich auch das Stadtbild prägende Parkhotel, ein in den 1950er Jahren stark verändertes monumentales Hotel aus dem Jahre 1889.

Zunächst gab es allenthalben Zustimmung zur Planung, lediglich Heimatpfleger Alexander Mayer lehnte sie ab. Zu diesem Zeitpunkt wurde sein Widerstand toleriert, da man offensichtlich keine Gefährdung für das Projekt fürchtete. Abgesehen von einem entsprechenden Statement gegenüber der Presse wartete Mayer zunächst die Besprechungen mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege im Rahmen der Amtstage ab, deren erste schon einen Tag nach der Bekanntgabe der Pläne erfolgte.

Das Landesamt und der Stadtheimatpfleger formulierten in diesen Besprechungen die Ablehnung der Pläne für die „Neue Mitte“ in der damaligen Form. Dabei wurde nicht das Projekt in seiner Gesamtheit zur Diskussion gestellt, sondern lediglich die einzelnen abzureißenden beziehungsweise zu entkernenden Gebäude besprochen. In vier Sitzungen (einschließlich Begehungen) von Juli bis Dezember 2008 bewegte sich der Investor jedoch keinen Zentimeter. Erst im Vorfeld zur Auslobung zum sogenannten Architektenwettbewerb gab er geringfügig nach: Der Erhalt eines einzigen Treppenhauses in einem der zu entkernenden Häuser wurde den Gegnern zugestanden und als großzügiges Entgegenkommen dargestellt.

Die Verluste waren mit Planungsbeginn bekannt, nicht jedoch die (Neu-)Gestaltung, lediglich die Eckpunkte, die dem Investor als unverzichtbar erschienen: Senkrechte Erschließung der Rudolf-Breitscheid-Straße, Einziehung des öffentlichen Straßenraumes Rudolf-Breitscheid-Straße (Bereich von Nr. 4 bis 12) und Hallstraße (bis auf Höhe Hallstraße 9 und 4), weitgehender Flächenabriss in der Rudolf-Breitscheid-Straße (mit Entkernung der Restbebauung), Mindestgröße 20.000 qm Einkaufsfläche.


Defizit an Öffentlichkeit

Das Defizit an Öffentlichkeit zog sich durch die ganze Projektgeschichte der „Neuen Mitte“. Eineinhalb Jahre verhandelten die Stadt und der Konzern Sonae Sierra im Verborgenen. Dem Investor wurden dabei offensichtlich weitreichende Zusagen gemacht. Erst durch die Veröffentlichung in der Presse wurden das Landesamt für Denkmalpflege und der Stadtheimatpfleger offiziell informiert. Der Investor und die von ihm beauftragten Büros schienen von deren Widerspruch überrascht. Durch die Kritik seitens der Denkmalschützer und Architekten – wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten – verfiel man auf die Idee, das Projekt vor diesem Fachpublikum wenn schon nicht durch das voraussichtliche Ergebnis, so doch zumindest durch ein „ordentliches Verfahren“ zu legitimieren: In einem sogenannten Architektenwettbewerb sollten Vorschläge „für die Erhaltung eines Maximums denkmalwerter Gebäude bzw. für die Minimierung von Eingriffen in denkmalwerte Substanz“ sowie „für die Ausformung eines städtebaulich wirksamen Ersatzbaukörpers für das derzeitige Parkhotel“ gemacht werden – so zumindest beschloss es der Bauausschuss. Eine beschränkte, vom Investor ausgewählte Zahl von Architekten sollte nun Entwürfe einreichen, die von einer ebenfalls vom Investor ausgesuchten Jury begutachtet werden sollten. Sonae Sierra lud unter anderem den Stadtheimatpfleger in dieses Preisgericht als Sachverständigen ein, der seinerzeit neue Gebietsreferent des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege jedoch lehnte eine Mitarbeit ab.

Den Kritikern wurden zunächst aussagekräftige Planungsunterlagen vorenthalten; es wurde sogar versucht, ein eigenes Fotografieren in den betroffenen Gebäuden zu verhindern. Obwohl das Landesamt für Denkmalpflege und der Stadtheimatpfleger von Amts wegen seit dem Juli 2008 intensiv mit dem Vorhaben konfrontiert waren, bekamen sie erst Mitte Dezember relevantes Kartenmaterial und Zeichnungen an die Hand, jedoch mit Sperrvermerk (d. h. er durfte diese Unterlagen weder veröffentlichen noch zeigen, und konnte sie damit auch nicht zu Argumentationszwecken benutzen).

Ausstieg des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege

Der Auslobungstext wurde in der Preisrichtervorbesprechung nicht zuletzt aufgrund der Kritik des Stadtheimatpflegers in Details verbessert, sodass zumindest theoretisch ein Entwurf eingereicht werden konnte, der seinen Vorstellungen entsprach, weswegen er in der Jury blieb, allerdings nicht ohne Unbehagen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich ein akzeptabler Entwurf eingereicht würde, war aufgrund des allgemeinen Tenors der Ausschreibung sehr gering. Zudem waren vom Investor Architekturbüros ausgewählt worden, die sich aus Sicht von Kritikern nicht selten als „UFO-Bauer“ betätigten, und sich nur in Einzelfällen im Bereich des Denkmalschutzes engagierten und hier dann mitunter Negativreferenzen hinterließen.

Weiterhin wurde im Auslobungstext zwar behauptet, die Besprechungsergebnisse mit dem amtlichen Denkmalschutz seien berücksichtigt; tatsächlich jedoch flossen die Protokolle mit kritischen Äußerungen seitens des Landesamtes und des Stadtheimatpflegers nicht in den Text ein. Das änderte sich erst mit dem Ausstieg des Landesamtes; die von Oberkonservator Dr. Uli Walter formulierte Begründung für diesen Schritt leitete der Stadtheimatpfleger an die Presse weiter. Nun erst fand die kritische Sichtweise des Denkmalschutzes als Anlage Eingang in die Auslobung. Das Schreiben von Dr. Walter war vor dem Ausgang beim Landesamt im allgemeinen Umlauf gewesen, d. h. es handelte sich keinesfalls um eine Einzelmeinung. Folgendes war darin vermerkt:

- Gegenstand des Wettbewerbs ist lediglich der Binnenbereich der geplanten Mall in der Rudolf-Breitscheid-Straße und der Hallstraße sowie die Fassade des früheren Parkhotels an der Friedrichstraße. Es ist damit beileibe kein städtebaulicher Ideenwettbewerb, in dem die Grundlagen des geplanten Shopping-Centers noch einmal frei diskutiert und ermittelt werden können.

- Die Größe des Projektes sowie die wirtschaftlichen und planerischen Rahmenbedingungen sind nicht veränderbar. Eine denkmal- und stadtbildverträgliche Lösung wird damit ausgeschlossen.

- Der Abbruch von drei Baudenkmälern, nämlich Rudolf-Breitscheid-Straße 8, 10 und 12, ist nach wie vor Bestandteil des Konzepts. Der Abbruch ist weder fachlich noch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes vertretbar.

- Der größte städtebauliche Fehler des Projektes, nämlich die Umwidmung von öffentlichem Straßenraum zum Erschließungs- und Repräsentationsbereich eines Einkaufszentrums, ist durch den Aufstellungsbeschluss des Fürther Stadtrates vom 31. 07. 08 beschlossene Sache. Die Stadt Fürth stellt damit in diesem Punkt die privatwirtschaftlichen Belange vor die des öffentlichen Gemeinwohls. Die Errichtung der Mall ist zentrales und unverzichtbares Anliegen des Gesamtprojektes „Neue Mitte“, wie die Auslobung unmissverständlich darlegt.

- Die geplante Mall wird nicht nur das Bild der Rudolf-Breitscheid-Straße und der angrenzenden Straßen, sondern des Stadtzentrums Fürth negativ beeinflussen. Die seit Generationen überkommenen Stadtstrukturen werden entwertet. So wird z. B. der städtische Platz ,,Fürther Freiheit“ zum Vorplatz eines Shopping-Centrums gedeutet. Die denkmalgeschützten Gebäude Rudolf-Breitscheid-Straße 4, 5 und 6 verlieren ihre natürliche Umgebung und werden zum Bestandteil der Einkaufsmall. Die baulichen Veränderungen betreffen auch das überlieferte Erscheinungsbild weiterer benachbarter Baudenkmäler, selbst wenn diese nicht überdacht werden.


Reaktionen auf Kritik

Während anfangs der Widerspruch gegen das 150 Millionen Euro teure Projekt geduldet wurde, reagierte die Stadtspitze im weiteren Verlauf zunehmend gereizt, vor allem als die Ankündigung der Gründung einer Bürgerinitiative gegen das Projekt in der Presse erschien. Daraufhin war in den Fürther Nachrichten vom 26. November 2008 unter der Überschrift „Heftige Schelte aus dem Rathaus“ zu lesen: „‚Maßlose Polemik‘ wirft Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung Stadtheimatpfleger Alexander Mayer in einer gestern verbreiteten Presserklärung vor.[…] Ohne die Ergebnisse des laufenden Architektenwettbewerbs abzuwarten, wird Weltuntergangsstimmung geschürt, um sich zu profilieren. […] Er, kündigt Jung an, werde in Zusammenarbeit mit dem städtischen Wirtschaftsreferenten Horst Müller dennoch weiter an der Realisierung der Neuen Mitte arbeiten, ‚um Fürth als Einkaufs- und Denkmalstadt voranzubringen‘. […] Mit seiner Art des Vorgehens aber schmälere Mayer ‚eine der größten Zukunftschancen der Stadt erheblich‘.“

Diskussionen um den Status als Denkmalstadt

Fürth bezeichnet sich selbst – beispielsweise auf Ortsschildern und auf Hinweistafeln an der Autobahn – als Denkmalstadt. Begründet wird diese Bezeichnung damit, dass Fürth mit 2064 Baudenkmälern den größten relativen Denkmalbestand (im Verhältnis zur Bevölkerungszahl) aller Großstädte Bayerns und den viertgrößten Deutschlands aufweisen kann. Als symptomatisch für die tatsächliche Situation in Fürth mag jedoch folgende Anekdote gelten: Im Zusammenhang mit einer Prämierungen von Fassadensanierungen äußerte Oberbürgermeister Jung: „Die Denkmalstadt Fürth muss ihre Substanz bewahren“. Daraufhin stellte der Stadtheimatpfleger die Frage, wie diese Aussage mit dem Flächenabriss im Zusammenhang mit der „Neuen Mitte“ zusammenpasse. Die Antwort seitens Stadtbaurat Krause lautete: „Es heißt Denkmalstadt Fürth, nicht Denkmalschutzstadt.“

Prof. Dr. Egon Johannes Greipl, Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, meinte zur „Neuen Mitte“: „Ich hoffe vielmehr, dass es im Zusammenwirken von konstruktiven Gesprächen, von politischer Einsicht und unter einem gewissen Druck aus der Bürgerschaft dazu kommt, dass die Denkmalstadt Fürth ihr Gesicht wahrt. Die Denkmäler sind der Spiegel der Menschen. In diesen Spiegel sollte Fürth auch künftig schauen können, und zwar mit Freude und Genugtuung. [...] Sollte aber ein Einkaufs- und Shopping Center in Fürth so entstehen, wie erste Gespräche es ankündigten, muss man tatsächlich von einem Kahlschlag im Herzen der Stadt sprechen. Mit dem Abbruch der Baudenkmäler sollte man dann gleichzeitig das Schild Denkmalstadt Fürth an der Autobahn abräumen.“


Diskussionen um die Eignung des Shopping Centers

Fürth hat einen starken Kaufkraftabfluss zu verzeichnen, der aber in erster Linie von der unmittelbaren Nähe zu Nürnberg herrührt, mit dem Fürth unter anderem durch die U-Bahn direkt verbunden ist. Wie eine Ironie der Geschichte erschien es manchen, dass dieselben politischen Kreise, die den nicht unumstrittenen U-Bahn-Bau nach Fürth vorangetrieben hatten, nun die „Neue Mitte“ wollten, um die Auswirkungen der U-Bahn zu kompensieren. In Fürth sollte ein Shopping-Center entstehen, das aufgrund seiner Größe nach Einschätzung von Fachleuten autark gewesen wäre und auf das Umfeld keine Rücksicht hätte nehmen brauchen. Es gibt jedoch zahlreiche gesicherte Studien, denen zufolge Innenstädte nachhaltig durch zu groß geratene, nicht integrierte innerstädtisch Einkaufszentren zerstört wurden.

Die Süddeutsche Zeitung vom 6. Oktober 2006 berichtete hierzu unter dem Titel: „Deutsche Innenstädte: Die Diktatur der Shoppingmalls“: „Die Diplom-Ökonomin Monika Walther kommt nach der Untersuchung von 70 kreisfreien Städten zu diesem Ergebnis: Das ‚einzige Beispiel für eine eindeutig positive Umsatzentwicklung, die auf die Ansiedlung eines innerstädtischen Shopping-Centers zurückgeführt werden kann, ist die Stadt Wolfsburg.‘ Dennoch handeln die Betreiber weiter munter mit Illusionen. […] Nun kann den Kunden ja gleichgültig sein, ob alteingesessene Einzelhändler in die Knie gehen oder die Immobilienpreise der Innenstädte fallen: Er profitiert in beiden Fällen. Aber was hier geschieht, ist so etwas wie die schleichende Entmachtung der Bürger – mit deren Einverständnis, wohlgemerkt. […] Der ‚Freiraum Stadt‘ wird zum Zweckraum degradiert. Öffentlicher Raum wird privatisiert und kontrolliert. Aufhalten darf man sich darin nur, solange man zahlungskräftig ist und Ruhe gibt. Früher machte Stadtluft frei. Diese Freiheit verspielen nun die Städte selbst“.

In einem Kommentar zum Phoenix-Center in Hamburg-Harburg kam die Immobilen Zeitung in ihrer Ausgabe vom 26. Februar 2004 zu dem Ergebnis: „Die geschlossene, aber altersschwache City wird nicht einer Frischzellenkur unterworfen, sondern stirbt endgültig angesichts der verführerischen, synthetischen Welt von Freizeit, Lust und Konsum.“

Kritiker des Projektes führten weitere Beispiele an, die beweisen sollten, dass die Errichtung eines Shopping-Centers negative Auswirkungen nach sich ziehen kann. Dabei könnten ihnen „Stadt-Galerien“ mit 5000 bis 7000 qm Größe entgegengesetzt werden. Das wäre auch in Fürth eine Alternative rechts und links der Rudolf-Breitscheid-Straße, denn „die Stadtgalerie bedarf der Stadt; das Shopping Center kommt ohne sie aus“, wie der Düsseldorfer Architekt und Städteplaner Walter Brune bemerkte.


Bürgerinitiative "Eine bessere Mitte für Fürth"

Nachdem der Stadtheimatpfleger zusammen mit einigen Leserbriefschreibern und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege von Juli bis Dezember 2008 beim Widerstand gegen das Projekt fast alleine stand, formierte sich am 15. Dezember 2008 aus zwie Vorläuferorganisationen (u.a. „Penelope-Kreis“ und Teile des Sozialforum um Stephan Stadlbauer) die Bürgerinitiative „Eine bessere Mitte für Fürth“. Die Forderungen lauteten:

„Wir sehen die Notwendigkeit, die Fürther Innenstadt für die Bewohnerinnen und Bewohner Fürths und Umgebung als Einkaufsort und Lebensraum attraktiver zu gestalten. Es besteht Handlungsbedarf, gerade auch im Bereich des ehemaligen Fiedler- und Wölfel-Areals. Eine kommerzielle Nutzung muss dabei nicht unbedingt im Vordergrund der Überlegungen stehen. Die Bedingungen, zu denen eine Umgestaltung der Fürther Innenstadt erfolgen soll, müssen durch eine gemeinsame Willensbildung in der Stadt festgelegt werden und dürfen nicht durch einen Investor diktiert werden. Deshalb fordern wir, dass folgende Punkte beachtet werden:

1. Die Rudolf-Breitscheid-Straße und die Hallstraße müssen öffentlicher und demokratischer Raum bleiben.

2. Die vorhandene Stadtstruktur mit der geschlossenen Blockbauweise und der Trennung zwischen öffentlichem und privatem Raum bleibt erhalten.

3. Denkmalgeschützte Häuser und wertvolle Fassaden werden restauriert und erhalten. Häuser mit besonders wertvollen Innenausstattungen werden nicht entkernt.

4. Fürth als Denkmalstadt lebt in erster Linie von einer fast geschlossen erhaltenen Bausubstanz (Ensembles), die so in Deutschland nur selten anzutreffen ist. Dieses Image wollen wir durch die Übernahme der weltweit beliebigen ‚Shopping Mall Architektur‘ nicht verlieren.

5. Ein Großprojekt mit ca. 25.000 qm Verkaufsfläche bedroht die bestehende Geschäftswelt. Neue Verkaufsflächen sind auf ein für Fürth verträgliches Maß zu beschränken.

6. Für das City Center sowie für bestehende und ggf. neue Verkaufsflächen ist eine integrierte Lösung zu finden (Einzelhandelskonzept), damit Fürth nicht zu einem Mahnmal für falsche Stadtentwicklung verkommt.

7. Die Öffentlichkeit ist rechtzeitig und umfassend zu informieren (besonders über Folgen und Kosten für die Allgemeinheit) und an Entscheidungen zu beteiligen (z. B. Infrastruktur, Finanzierungstransparenz, Bürgschaften, Abrisse etc.).

8. Negative Auswirkungen auf den innerstädtischen Verkehr müssen vermieden werden.

Nicht alle, die in der Bürgerinitiative „Eine bessere Mitte für Fürth“ vertreten sind, stehen hinter allen der genannten Punkte. Die verschiedenen Punkte sind für die Beteiligten von unterschiedlicher Bedeutung und Gewichtung. Es gibt aber keinen Punkt, der den Positionen Einzelner widerspricht. Wir werden die verschiedenen Möglichkeiten zur demokratischen Mitgestaltung nutzen, auch die im Bebauungsplanverfahren vorgesehenen. Wenn es nötig ist, werden wir uns dafür einsetzen, dass bei einem Projekt dieser Tragweite die gesamte Bevölkerung über einen Bürgerentscheid beteiligt wird. Als ultima ratio schließen wir rechtliche Schritte nicht aus.“


Öffentliche Diskussion

Die Bürgerinitiative organisierte in der Folge mehrere gut besuchte Veranstaltungen und startete später ein Bürgerbegehren, bei dem die Bürgerinitiative die Abstimmung jedoch auf die Frage des öffentlichen Raumes beschränkte. Im Januar 2009 fand in der Fürther Stadthalle eine Podiumsdiskussion mit mehr als 1000 Besuchern statt. Die Idee stammte von der IHK; später wurde die Organisation von den Fürther Nachrichten übernommen. Diese Tageszeitung hat in der Stadt als Printmedium praktisch eine Monopolstellung. Über die „Neue Mitte“ berichtete sie sehr ausführlich, ließ dabei jede Seite zu Wort kommen (wenngleich in unterschiedlichem Maße) und veröffentlichte fast jeden der sehr zahlreichen Leserbriefe. Die Podiumsdiskussion selbst war stark besucht, brachte aber nichts Neues; Fragen der Heimatpflege und des Denkmalschutzes wurden von den Moderatoren und vom Publikum kaum angesprochen. Ergiebiger waren dagegen die Diskussionen im Internet. In verschiedenen Blogs und Internetforen – z. B. in jenem der Spielvereinigung Greuther Fürth – wurde intensiv und teilweise äußerst kontrovers über das Projekt diskutiert.

Die Wende 2009

Anfang 2009 war jedoch klar geworden, dass die amtliche Denkmalpflege keinerlei Chance gegen das Projekt habe, ausgenommen vielleicht über eine Klage bezüglich des Abwägungsgebotes vor dem Verwaltungsgericht. Die Untere Denkmalschutzbehörde vor Ort hielt sich mit eigenständigen Äußerungen völlig zurück.

Auf der anderen Seite war der Eigentümer des Hauses Rudolf-Breitscheid-Straße 12 nicht zum Verkauf bereit. Da dieses Haus sehr groß und zudem zentral gelegen ist, erschien das Projekt ohne dieses Anwesen nicht durchführbar. Hier lag die einzige realistische Chance, das Projekt in ein vernünftiges Fahrwasser zu bringen. Der Eigentümer berichtete, dass er stark unter Druck stehe; Oberbürgermeister und Investor hätten ihm vorgeworfen, er stelle sich der Jahrhundertchance Fürths in den Weg. Er selbst verbinde jedoch zu viele persönliche Erinnerungen mit dem seit langem in Familienbesitz befindlichen Haus, um es zu verkaufen.

Aufgrund seiner Weigerung kam fast zeitgleich mit der Preisrichtersitzung des sogenannten Architektenwettbewerbs das Aus für das ehrgeizige Projekt. Ein einzelner Hausbesitzer konnte ein Projekt verhindern, gegen das der amtliche Denkmalschutz nahezu erfolglos angekämpft hatte. Der Eigentümer wurde zwar vom Oberbürgermeister und den Stadträten in öffentlichen Sitzungen und Veranstaltungen mehrfach verbal an den Pranger gestellt, doch änderte dies nichts an der Faktenlage. Am 30. Juni 2009 mussten die Stadt und der Investor das Projekt als gescheitert erklären.

Literatur

Alexander Mayer: Fürth – die besser Neue Mitte. In: Heimatpflege in Bayern. Schriftenreihe des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e.V. Band 3. München 2011. ISBN 978-3-931754-53-2.

Lokalpresse

  • Johannes Alles: Neue Mitte: Front gegen die historische Kulisse. Fürther Architekten würden dem Neubau des Einkaufszentrums nicht die Fassade des Park-Hotels verpassen. In: Fürther Nachrichten vom 20. November 2008 - FN
  • Thomas Nagel: «Neue Mitte» Fürth. Experten raten zu offenem Konzept. In: Nürnberger Zeitung Nr. 13 vom 17. Januar 2009, S. 17 - NZ
  • Stephan Sohr: Planungen für «Neue Mitte« beginnen fast von vorne. Fürth will um «Jahrhundertchance« kämpfen. In: Nürnberger Zeitung Nr. 102 vom 5. Mai 2009, S. 13 - NZ
  • Thomas Nagel: Bürger sollen entscheiden. Fürth: «Neue Mitte« oder «bessere Mitte«? In: Nürnberger Zeitung Nr. 110 vom 14. Mai 2009, S. 16 - NZ
  • Thomas Nagel: Eine neue Analyse zur Einkaufssituation in Fürth. Überschätzte «Neue Mitte»? In: Nürnberger Zeitung Nr. 118 vom 25. Mai 2009, S. 14 - NZ


Siehe auch

Weblinks


Positions-Rundbriefe des Stadtheimatpflegers