Opfer des Nationalsozialismus

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Judenverfolgung in Fürth, Ende 1941 (Bildausschnitt)

Zwölf Jahre "Tausendjähriges Reich" hinterließen in Fürth irreversible Schäden, die bis heute weit über die unbeschreibliche Auslöschung zahlloser Leben, die Vernichtung zahlloser Existenzen und Zerstörungen historischer Bausubstanz und anderer Kulturschätze hinausgehen.

Opfer des NS-Terrors[Bearbeiten]

Fürther im KZ Dachau 1933
Der systematischen Ermordung der Juden ging jene von Menschen mit Beinträchtigungen ("Behinderte") voraus, bei der auch die Methoden der darauf folgenden Shoah getestet wurden. Im Bild der Fürther Konrad Dohrer, ermordet 1941 in der Tötungsanstalt Hartheim
Straßenszene (Schwabacher Straße) 1941: Zwei Juden mit Judenstern (nach einem Foto von Ferdinand Vitzethum, vgl. Bildausschnitt oben)

Vor allem die Verfolgung von Personen jüdischen Glaubens und linker Überzeugungen hat die Kulturszene, aber auch die intellektuelle Oberschicht der Stadt in ihrer Gesamtheit tiefgreifend zerstört. Viele fielen der Gewalt der Nationalsozialisten unmittelbar zum Opfer: Der Kunstmaler Julius Graumann starb ebenso im KZ wie Volkswirt Rudolf Benario und Antifaschist Ernst Goldmann. Vor dem "Dritten Reich" landesweit bekannte Persönlichkeiten wie Jakob Wassermann, der in den 1920er Jahren in einem Atemzug mit Thomas Mann genannt wurde, blieben auch nach 1945 bis heute weitestgehend unbekannt und fristen ein Schattendasein als "Insidertipp". Vom einstigen Starverteidiger Max Bernstein sind heute nicht einmal mehr Fotografien überliefert, weil sein Nachlass den Nationalsozialisten zu brisant war, obwohl er lange vor 1933 starb.

Wissenschaftler wie der Metallurg und spätere Cambridge-Professor Robert W. Cahn, der Politikprofessor Joseph Dunner, der erste Direktor des neuen Fürther Klinikums Jakob Frank oder Albert Uffenheimer, ebenfalls Arzt, und die Schriftstellerin Ruth Weiss setzten ihre Karriere nach der Emigration im Ausland fort. Alleine aus der Familie des späteren US-Außenministers Henry Kissinger wurden 13 Mitglieder von den Nationalsozialisten ermordet.

Am 28. Oktober 1938 wurden im Rahmen der sogenannten Polenaktion 54 polnische Juden und eine unbekannte Zahl von nichtjüdischen Polen aus Fürth ausgewiesen bzw. deportiert:[1] Die Polenaktion gab indirekt den Anlass für das Pariser Attentat von Herschel Grynszpan auf Ernst Eduard vom Rath, das wiederum als Vorwand für die Novemberpogrome 1938 diente, bei denen es auch in Fürth zu zahlreichen Übergriffen auf jüdische Mitbürger kam und der Schulhof mit den dortigen Synagogen zerstört wurde.[2]

In Fürth gab es vier größere Deportationen in Konzentrationslager:

Weitere Opfer bzw. verfolgte Fürther und Fürtherinnen der Nationalsozialisten, die nur exemplarisch für die Vielzahl von misshandelten, deportierten und getöteten Menschen stehen:

Eine vollständige Liste aller jüdischen Opfer des Nationalsozialisums findet sich auf der Internetseite "Jüdische Fürther", erstellt von Gisela Naomi Blume: Homepage Jüdische Fürther/Memorbuch - Opfer der Shoah (Link).

Die Stadtgemeinschaft, z. B. durch ihre Stiftungen, tragende und prägende Familien wurden wie die Sahlmanns ausgelöscht oder emigrierten wie die Berolzheimers. Auf beiden Wegen verschwanden sie fast vollständig aus der Gegenwart und Zukunft der Stadt, viele schafften es nicht einmal in die Geschichtsbücher.

Nicht zuletzt deshalb bleibt auch wirtschaftlich viel Kontinuität zwischen Drittem Reich und BRD: Viele NS-Günstlinge werden ab 1945 inhaftiert, in den als "Persilscheinfabriken" verspotteten Gerichtsverfahren als "Mitläufer" eingestuft, konnten sie jedoch weitestgehend unbestraft weiterarbeiten - meistens unverändert mit vormals jüdischem Besitz: Mal weil die Eigentumsübergabe in juristischem Graubereich stattfand, mal weil ganze Familien in KZs ausgelöscht wurden, viele die das Unheil kommen sahen wie der Hopfenhändler und Großkaufmann Karl Sahlmann Suizid begingen oder aus dem Exil nicht zurückkehrten und folglich keine Ansprüche mehr geltend machen konnten oder wollten.

Literatur[Bearbeiten]

  • Lothar Berthold, Peter Krauss, Andy Reum, Josh Reuter (Redaktion): „Kristallnacht“ in Fürth In: Sondernummer der Fürther Freiheit, Fürth: (ehemals Wissenschaftlich-Publizistischer Verlag) heute: „Städtebilderverlag Fürth“, Postfach 1212, 90702 Fürth V.i.S.d.P.: Andy Reum, Erlanger Str. 71, 8510 Fürth - online
  • Rainer Hambrecht: Der Aufstieg der NSDAP in Mittel- und Oberfranken, Nürnberg, 1976
  • Bernd Höffken: Schicksale jüdischer Ärzte aus Nürnberg nach 1933. Metropol Verlag Berlin, 2013
  • Manfred Mümmler: Fürth in nationalsozialistischer Zeit. Das Alltagsleben 1933 - 1945. Universität Bayreuth, Dissertation, 1994, IV, 355 S.
  • Manfred Mümmler: Fürth 1933 - 1945. Emskirchen: Verlag Maria Mümmler, 1995, 224 S., ISBN 3-926477-13-X
  • Heinrich Strauß: Fürth in der Weltwirtschaftskrise und nationalsozialistischen Machtergreifung - Studien zur politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung einer deutschen Industriestadt 1928 - 1933, Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte - Schriftenreihe des Stadtarchivs Nürnberg Band 29, Nürnberg
  • Renate Trautwein: Marie Venediger, in: FrauenLeben in Fürth, Spurensammlung und Wegweiser, Nürnberg 2003, Seite 64 - 66
  • Ausstellung des Infoladen Benario im Kulturforum Schlachthof am 12. April 2013, Daten und Texte Siegfried Imholz
  • Antifaschistische Linke und Siegfried Imholz: Widerstand gegen den Nationalismus in Fürth, Eigenverlag Fürth, 2014
  • Siegfried Imholz: Gebt ihnen einen Namen (Buch), Städtebilder Verlag Fürth, 2017

Siehe auch[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]

  • Presseausschnitte (Fürther Nachrichten, NN, Plärrer) und Archivalienkopien (Staatsarchiv München) zu Veranstaltungsverboten der NSDAP 1925/26, der Schoa in Fürth, dem von Alfred Nathan gestifteten König-Ludwig-Brunnen, den hebräischen Druckereien und Akten der Israelitischen Kultusgemeinde. In: Nr. 2 Jüdisches Leben und Antisemitismus in Fürth. Bestandsgruppe F - Findliste F 14 Dokumentationsgut zum jüdischen Leben in Nürnberg und Franken. Erstellt und geschrieben: Gerhard Jochem, Nürnberg, August 1999 - StAN
  • Ekkehard Hübschmann: Arbeitsgemeinschaft fränkisch-jüdische Geschichte - online
  • Flucht und Vertreibung von Juden aus Fürth (Wikipedia)
  • Stichwortsuche "Fürth" beim United States Holocaust Memorial Museum

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Komitee zum Gedenken der Fürther Shoah-Opfer (Bearbeitung Gisela Naomi Blume): Memorbuch zum Gedenken an die von den Nazis Ermordeten Fürther Juden. Fürth 1997. S. 14.
  2. Fürth 1933 - 1945 (Buch), S. 148 ff.

Videos[Bearbeiten]

Höfefest 2018 Dieser Artikel war Thema beim Fürther Höfefest vom 21. - 22. Juli 2018. Unter dem Titel "200 Jahre an einem Wochenende" bot die Veranstaltung Einblick in mehr als 50 Fürther Höfe, davon 20 als Themenhöfe mit einem geschichtlichen Thema.