Altstadtverein Fürth
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← Seite 31 Birkens vertraut. In diesem Zusammenhang muss die Frage erlaubt sein, ob Carl Friedrich Lochner im Kreise seiner historisch interessierten Ordensbrüder als Lokalpatriot, wie man ihn wohl bedenkenlos bezeichnen kann, absichtlich im Gegensatz zu den Nürnberger Annalisten Sigismund Meisterlin oder dem zeitgenössischen Johannes M. Müllner eine zu Fürth passende Variante der Karlslegende vertreten hat und sich dabei auch noch auf eine Originalquelle, die „Annales Regni Francorum“, beziehen konnte wie es im Bericht des Nürnberger Humanisten Willibald Pirckheimer von 1530 (Ed. 1665) über den Kanalbau zwischen Altmühl und Rezat nachzulesen war. Als Pfarrer war ihm die Kompetenz über die frühen kirchlichen Verhältnissen in Fürth durchaus zuzugestehen und die Standortbestimmung der Martinska-
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pelle schien einleuchtend. Hat Johann Alexander Boener einfach nur Gedanken Carl Friedrich Lochners († 1697) zu Papier gebracht, die ihm dessen Sohn Daniel aus dem Nachlass zur Verfügung stellte, soweit Notizen vorhanden waren? Der Historiker Helmut Weigel, der sich auf den Fürther Heimatforscher Adolf Schwammberger bezog, behauptete jedenfalls, dass der Text zu Boeners Prospekten nicht von ihm selbst stammte. Wo stand die Martinskapelle?
Geht man davon aus, dass die gebildeten Humanisten in Fürth die besseren historischen Erkenntnisse im Gegensatz zu den Nürnberger Chronisten vertreten haben, ist leicht nachzuvollziehen, dass man vergessen hat, die Hypothese auf ihren Wahrscheinlichkeitsgehalt hin
zu überprüfen, was zeitbedingt erklärlich wäre. Seit der Veröffentlichung Boeners 1705 war man in Fürth davon überzeugt, dass es im Wiesengrund einmal eine Kapelle gegeben hat, die durch das belegbare Martinspatrozinium aus dem 14. Jahrhundert und das Wissen um den „Nationalheiligen“ der Franken an dieser Stelle nur eine abgegangene Martinskapelle gewesen sein konnte – auf dem Kirchenplatz standen schließlich schon die Michaelskirche und die Heiliggrabkapelle. Wo sonst noch hätte St. Martin stehen können, wenn nicht im Wiesengrund, wo die Anwesenheit des größten Frankenkönigs für möglich gehalten wurde? Der bauliche Vergleich
Kommen wir zu der Frage, was gab es dort zu sehen, dass sich die Meinung, im
Wiesengrund habe es sich um eine Kapelle gehandelt, in Fürth so gefestigt hat? Auch hier sind die Ansichten Boeners, die gleichzeitig die einzige Quellenbasis bilden, von großer Bedeutung. Vergleicht man die Darstellung der Ruine in der Rednitzaue mit der einzig sonst bekannten Kapelle, der Heiliggrabkapelle auf dem Kirchenplatz (Abb. 2 und Abb. 3), ist eigentlich nur die Form der Rundbogenfenster ein Anhaltpunkt, in dem beide Gebäude miteinander übereinstimmen. Zudem liegt der Sockelstein des Fensters der Ruine direkt auf dem Boden auf, während er sich bei der Heiliggrabkapelle in Höhe des Türsturzes befindet. Daraus lässt sich die Vermutung ableiten, dass die Überreste im Wiesengrund nur den oberen Teil des Gebäudes darstellen, der Rest durch fast 2 m hohe Schwemmsandlagen bedeckt zu sein
Abb. 2: Ruine im Wiesengrund, Stich in J. A. Boeners Prospekten 1705. Perspektive, dimensionale Darstellung sowie Licht- und Schattenwirkung entsprechen nicht der sonst von Boener wiedergegebenen exakten Darstellungsweise. (Repro: Werner)
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