Diskussion:Stelco
Fürth 11.01.2011
Sehr geehrte Fürth-Wiki Redaktion, Der Standortwechsel in Fürth der Firma Adolf Kürschner gestaltete sich während bzw. nach dem zweiten Weltkrieg etwas dramatischer, als hier im Moment dargestellt. Fünf Firmen waren bis nach dem Krieg auf Höhe "Garten Dehner", vorher US-PX Commissary angesiedelt (Waldstraße 80). Die Adresse Waldstraße 40 galt dann als "Enteignungsentschädigung". Als Momentaufnahme der damaligen Ereignisse habe ich einem Zeitungsartikelauszug angefügt.
aus dem Buch: "1952 - Fürth feiert" von Ulla Peters-Müller, erschienen beim städtebilder verlag Fürth, Juni 2002, Seite 14:
Mittwoch, 27. Februar 1952
Heute nachmittag wurde im Rathaus die zweite Sitzung der gemischten deutsch-amerikanischen „Housing Commission" abgehalten. Es ging hauptsächlich um die Frage, wer für die Freigabe der beschlagnahmten Gebäude zuständig ist. Die deutschen Vertreter waren Verwaltungsdirektor Janischowski, Stadtrat Lederer und die Stadträtin Dr. Meyer-Spreckels. Die Abordnung der Amerikaner bestand aus Major De Pietra, Ltn. Machirella und Officer Kakula.
Zu diesem Thema stand in den FN am 18.2.52 folgendes:
Export-Fabriken werden Kasernen Ein deutscher Oberst hat mit Familie schon Wohnung darin bezogen Helle Empörung in weiten Bevölkerungskreisen - Deutsche Mannschaften des „Labour-Service" sollen in den Fertigungsstätten bekannter Spielwaren-Firmen kaserniert werden. (Fürth, 18. Febr.)
„Drei Wohnhäuser und fünf fast ausschließlich für den Export arbeitende Spielwarenfabriken in Fürth sollen als Kasernen für Truppen des deutschen „Labour-Service" bei der US-Armee ausgebaut werden. Dieses Vorhaben der US-Behörden hat in den Kreisen der Besatzungsgeschädigten und bei der Bevölkerung helle Empörung ausgelöst. Während die Eigentümer mit ihren Firmen teilweise noch in Scheunen und Holzhütten primitiv untergebracht sind, bewohnt bereits ein deutscher Oberst mit seiner Familie eines der Häuser. Dr. Adolf Kürschner, ein bekannter Spielwaren-Exporteur der deutschen Wirtschaft, der als Obmann in der Interessen-Gemeinschaft der Besatzungsgeschädigten die Belange der Grundstückseigentümer an der Waldstraße vertritt, erklärte dazu: „Ich bedaure es, daß unsere Regierung derartige Maßnahmen ohne Widerspruch hinnimmt. Wir sind über sie ebenso empört wie über die amerikanischen Behörden. Ist denn das Grundgesetz, das uns die Sicherheit des Privatbesitzes als einfachstes Recht des Bürgers zusichert, wirklich nichts mehr als ein Blatt nichtssagendes Papier?" „Wir betrachten dieses Verhalten als skandalös", erklärte Dr. Kürschner weiter. Leider hätten sich die betroffenen Spielwaren-Firmen durch eine kürzliche Meldung über die Verkehrs-Freigabe einer Straße, in der US-Gebäude liegen, zu der Hoffnung verleiten lassen, daß damit auch ihre Fabriken wieder frei würden. Die sofort angenommenen Export-Aufträge aus aller Welt könnten nun jedoch bei den nun schon sieben Jahre bestehenden mißlichen Produktionsverhältnissen niemals erfüllt werden. „Wir müssen sie alle zurückweisen". Die Bedeutung dieser Maßnahme wird durch die Tatsache erhärtet, daß der Spielwaren-Export seit der Währungsreform um das Vierfache stieg und in der deutschen Ausfuhr prozentual weitaus an erster Stelle steht. Allein die Beschlagnahme der Fertigungsstätten hindere diese 5 führenden Spielwarenfirmen, wirtschaftlich gleichfalls stärker in den Vordergrund zu treten. Daß die Fabrikationsräume nun als Kasernen, womöglich noch für deutsche Soldaten, ohne den geringsten Schimmer einer Einwilligung ihrer Eigentümer umgebaut werden sollten, „ist rechtlich ein untragbarer Zustand. Wir werden mit allen Mitteln versuchen, diesen Plan zum Scheitern zu bringen und es selbst auf eine Kraftprobe in diesem prekären Präzedenzfall ankommen zu lassen", unterstrich Dr. Kürschner die mit dem Kasernen-Plan geschaffene Lage. Jahrzehntelang habe jeder der Eigentümer in harter Arbeit schaffen müssen, um sich die Fabriken an der Waldstraße zu erwerben. Nun müßten sie zusehen, wie sie nutzlos verbraucht würden. Hier deutsche Offiziersfamilien unterzubringen, sei eine Provokation ohnegleichen."
In Anspielung auf Enteignungs-Vorwürfe gegen die „Ostzone" (DDR) schrieb Dr. Kürschner diesen „offenen Brief": „(...) Im Jahre 1945 wurden in Fürth i.B., also in der sogenannten „Westzone" 5 bedeutende Spielwarenfabriken und die Häuser der Inhaber dieser Betriebe von den Amerikanern für Zwecke des Medical Depot beschlagnahmt. (...) Im Zuge der Absetzung von einer evtl. zu erwartenden Front wurde Ende 1951 auch das Medical Depot von Fürth verlegt und die 5 Spielwarenbetriebe geräumt. (...) Und nun geschah dort etwas, was für jeden anständig und rechtlich denkenden Menschen einen Schlag ins Gesicht bedeutete: Die mehrfach erwähnten Fabrikgebäude wurden in der Weise geschändet, dass sie, selbstverständlich ohne Befragung der Eigentümer zu luxuriös ausgestatteten Kasernen für deutsche Söldner umgebaut wurden. Da unsere früheren deutschen Ehrbegriffe scheinbar unmodern geworden sind, zogen diese Leute, denen man bedauerlicherweise noch die deutsche Staatsangehörigkeit belässt, mit Herrn „Oberst" von Vaurest an der Spitze, in die uns weggenommenen und entehrten Fabriken und Wohnhäuser ein. (...) Besonders interessiert wird natürlich Herr Justizminister Dr. Dehler an dem Fall sein, der versprochen hat, dass das Privateigentum wiederhergestellt werden muss. Sicher wird Herr Justizminister einwandfrei feststellen, dass es weder nach deutschem Recht noch nach Völkerrecht noch nach rein moralischen Gesichtspunkten statthaft ist, dass sich Deutsche widerrechtlich weggenommenen deutschen Besitzes bemächtigen dürfen. Die Beseitigung des unheimlichen Zustandes der Rechtsunsicherheit, wie er in unserem Fall in ganz krasser Form vorliegt, wird der Herr Justizminister ganz zweifellos sofort für seinen Machtbereich anordnen, um einen schweren Verlust des Ansehens der deutschen Justiz zu vermeiden. (...)"
Diese Tatsachen bitte ich bei der Aufführung der Firma Kürschner/Stelco zu berücksichtigen.
Mit freundlichen Grüßen Michael Stelter (Mitglied der Fürther Geschichtswerkstatt)
- hallo Herr Stelter, vielen Dank für die weiterführenden Informationen, ich habe diese bereits in den Artikel übernommen. Zur Info: eine "Redaktion" im klassischen Sinne gibt es hier nicht, sie können alle Artikel nach Belieben selbst bearbeiten und ergänzen, das ist ja der Sinn und Zweck eines Gemeinschaftswerkes. Die Firma Stelco ist mein persönliches Steckenpferd, aber es gibt kein Copyright oder Sonstiges auf den Artikel. Ich habe meine Infos z.T. aus alten Geschäftsbriefen und aus den Heimatblättern des Geschichtsvereins. Wie man jetzt aber sieht darf man den Heimatblättern auch nicht blind vertrauen, einige Angaben sind widersprüchlich. Die Waldstr. 80 konnte ich aus einem alten Plan heraus bestätigen. Ist der Name "Stelter" in diesem Zusammenhang Zufall oder haben sie einen direkten Bezug zur Firma Stelco ? Es wäre doch schön, wenn sich die Fürther Geschichtswerkstatt auch hier im Fürth-Wiki engagieren würde und sozusagen auch dieses "neue" Medium beackert. Sicherlich auch mal eine Alternative zum Tagesgeschäft "Bücher-zusammenkleben" ;-) Beste Grüße --Doc Bendit 08:32, 14. Jan. 2011 (CET)