Mit der neuen Liegenschaft konnte die Lebenshilfe ein mehrstufiges Betreuungssystem schaffen: Sonderschule, beschützende Werkstatt, Kindergarten und Wohnheim. Im vorschulischen Sonderkindergarten an der Zirndorfer Straße (heute Aldringerstraße) arbeiteten zwei heilpädagogisch ausgebildete Kindergärtnerinnen, Leiterin war Frau Lauermann. Hier lernten Kinder ab vier Jahren den Umgang mit Gleichaltrigen, Gemeinschaftsgefühl, den Umgang mit einfachem Spielzeug und Grundbegriffe der Sprache. Die Sonderschule Heilstätte - Ende 1967 besuchten sie schon 80 behinderte Kinder aus Fürth und dem Landkreis übernahm Kinder im Alter von etwa 8 Jahren vom vorschulischen Sonderkindergarten oder auch direkt vom Elternhaus in die Unterstufe. Einfache Handgriffe, Unterscheidung der Farben und einfache handwerkliche Tätigkeit standen hier auf dem Lehrplan. In der Mittel- und vor allem in der Oberstufe standen Sprachübungen und einfachstes Rechnen im Mittelpunkt der Ausbildung. Die Lehrkräfte erfanden sogar eigene Gedächtnisstützen für die Buchstaben des Alphabets: ein „Kuchenesser“ stellte entsprechend der Mundbewegung das „M“ dar, der „Maulaufreißer“ das A, der „Zähneblecker“ das „N“. Fürther Alltags-Pragmatismus schlug damals wie heute pädagogische Konzepte aus der Universität, möchte man hinzufügen. In der Sonderschule wurde dann auch begutachtet, wer in der beschützenden Werkstatt einer produktiven Tätigkeit zugeführt werden konnte. Dort arbeiteten behinderte Menschen inzwischen von 8 bis 16 Uhr - man näherte sich also weiter dem normalen Industrie-Alltag an. 1967 waren weiterhin Spielzeugfirmen die Hauptauftraggeber. Die behinderten Beschäftigten setzten Miniaturautos zusammen, arbeiteten an Figuren für ein „Mensch ärgere Dich nicht“ und fertigten für die Elektro-Industrie. 1967 gab es keinerlei Reklamationen der Auftraggeber. Insgesamt hatte die Lebenshilfe 1967 ca. 170.000 Mark eingenommen, Anfang 1968 gehörten dem Verein 175 Mitglieder an, die Hälfte davon betroffene Eltern. Im Hinblick auf die kommenden Vorhaben bestellte die Jahreshauptversammlung im März 1968 den bisherigen 1. Vorsitzenden Karl Reinmann zum Geschäftsführer, den Vorsitz übernahm sein Stellvertreter Heinz Görtz.
2. Erste Schritte zum Betreuungszentrum Im Jahre 1968 brach die Lebenshilfe in die Domäne der Langzeitunterbringung ein: Im Wohnhaus in der Zirndorfer Straße (heute Aldringerstraße 4) eröffnete sie im Mai 1968 ein Wohnheim für behinderte Menschen, die keine Familie hatten oder nicht in der Familie bleiben konnten. Es war als eigenes Heim für 12-15 behinderte Menschen konzipiert und sollte von daher eine Alternative zur „Anstalt“ sein. 1968, nur wenige Jahre nach der Gründung, betreute der Verein Lebenshilfe Fürth etwa 100 behinderte Menschen. 21 Kinder von vier bis acht Jahren besuchten die Vorschule an der Zirndorfer Straße, in der öffentlichen Sonderschule mit angeschlossenem Tagesheim wurden 43 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 6 und 16 Jahren ausgebildet, in der Werkstätte waren zu jener Zeit 19 Jugendliche und Erwachsene beschäftigt.
Erstmalig machten im Mai und Juni 1968 auch Kinder der öffentlichen Sonderschule für geistig behinderte Menschen einen Schullandaufenthalt im neuen Waldheim „Sonnenland“.
Stadtwaldspaziergang im Frühling 1968, von links nach rechts: „Heinzi“ Karlheinz R., Robert G., Helmut H., Hermann K., Günther F., Manfred G. und Roland M. (Foto Nachlass Karl Reinmann).
Im 3. August 1968 eröffnete Oberbürgermeister Kurt Scherzer auf der Fürther Freiheit für die Lebenshilfe eine sechswöchige Tombola, um das Projekt eines Betreuungszentrums an der Zirndorfer Straße voranzutreiben. Das Projekt, von dem schon Modelle existierten und das mit fünf bis sechs Millionen Mark veranschlagt war, sollte wegen der hohen Kosten abschnittsweise verwirklicht werden. Schirmherr der Tombola war Oberbürgermeister Kurt Scherzer, als Losverkäufer betätigte sich viel Fürther Prominenz, wie zum Beispiel Friedel Stranka. Im von Oberbürgermeister Kurt Scherzer und 2. Vorsitzenden Simon Böhmetzriether unterschriebenen Spendenaufruf hieß es unter anderem: „Ungezählten Eltern auf der ganzen Welt hat das Schicksal die Sorge um ein geistig behindertes Kind auferlegt. Auch in den Mauern unserer Stadt leben viele solche Eltern, denen wir unser Mitgefühl und unsere Hilfe nicht versagen sollten... Jeder möge bedenken, dass ihn heute oder morgen das gleiche Schicksal treffen kann.“ Zu jener Zeit betreute die Lebenshilfe 92 Kinder, den Sonderkindergarten besuchten 29, die Sonderschule 45 und die beschützende Werkstätte 18 behinderte Menschen, im Wohnheim waren vier Jugendliche untergebracht. Die Räume reichten nicht mehr aus, abgesehen vom Wohnheim waren alle Einrichtungen überbelegt. Die Tombola und die Spendenaktion brachten den erstaunlichen Reingewinn von 130.000 Mark, so dass die Lebenshilfe 1968 bei insgesamt 238.000 Mark Einnahmen und 174.000 Mark Ausgaben einen Überschuss von 106.000 Mark verbuchen konnte. Im September 1968 erhielt die Lebenshilfe Fürth aus der Aktion Sorgenkind des Zweiten Deutschen Fernsehens ihren fünften VW-Bus. Im selben Monat erweiterte sich die Sonderschule von drei auf fünf Klassen mit ebenso vielen Lehrern. Rektor Jahn ging nun endgültig in den
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