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Sechste Periode (1719).

Oberrabbiner wurde vom Kaal erwählt; das Rabbineramt be­ stand aus demselben und fünf Beisitzern. Der Oberrabbiner war Richter in Streitigkeiten unter den Juden, übte die frei­ willige Gerichtsbarkeit in Vormundschafts-, Verlassenschaftsund Ehesachen, handhabte die Disciplinargewalt in religiösen Dingen. Seine Einkünfte waren, wenn auch bei freier Woh­ nung sein Gehalt sich nur auf 100 Reichsthaler belief, sehr an­ sehnlich, da er im Genusse der Sporteln war und als oberster Lehrer der Talmudschule reichliche Geschenke erhielt. Eine be­ deutende Einnahme bestand auch darin, daß jeder Jude, der eine bedeutendere Reise unternahm, sich vor seiner Abreise von ihm segnen ließ und diesen Segen gewöhnlich mit einem Gold­ stück bezahlte. Ein Talmudschüler zahlte ihm beim Eintritte

gewöhnlich 3 — 5 Dukaten und ungefähr ebensoviel, wenn er den Titel Rabbi erhielt. Ein irgend angesehener Jude, der durch Fürth reiste, machte dem Oberrabbiner sein Kompliment und steckte ihm beim Weggehen einen Dukaten oder Karolin in die Hand. War nun dieser noch in der Lage, dem Gaste den Doktortitel (Meharer) zu ertheilen, so wurden hierfür 3—6 Du­ katen und noch mehr gezahlt. Die drei Armenpfleger hatten die Aufsicht über das jüdische Spital, das Armen- und Waisen­ haus und rechneten lediglich mit dem Kaal ab. Die jüdische hohe Schule war weithin berühmt. Die Rechtspflege, wie sie in Fürth unter den Juden ausgeübt wurde, hatte auch eine Appellationsinstanz, während im Ansbachischen die Berufung von den jüdischen Untergerichten an das christliche Obergericht ging. Die Berufungssumme war 300 fl., die Frist, bis zu welcher die Appellation angemeldet werden mußte, lief acht Tage; nach angemeldeter Berufung übergab der Rabbiner die Akten an den Monatsbarnoß; dieser ließ sie durch einen be­ eidigten Schreiber kopiren, wobei jedoch statt der wirklichen Namen der Parteien fingirte eingesetzt wurden. Sodann wur­ den die Akten an ein anderes Rabbinergericht als zweite Instanz versendet. Der Ort, wohin sie versendet wurden, mußte strenges Geheimniß bleiben. Das Urtheil des Erstrichters wurde nicht mitgeschickt, sodaß die zweite Instanz nicht sowohl zu bestätigen oder abzuändern, als vielmehr ein völlig neues Urtheil abzusassen hatte. Der Appellant mußte Kaution für sämmtliche Kosten stellen, und der Verlierende seine Succumbenz an die