Gastarbeiter: Unterschied zwischen den Versionen

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== Anwerbung von Gastarbeitern 1955 - 1970 ==
== Anwerbung von Gastarbeitern 1955 - 1970 ==
Ende der 1940er-Jahre ebbte der durch den [[2. Weltkrieg]] verursachte Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen ab. Mitte der 1950er-Jahre, als das Wirtschaftswachstum zunehmend zu einem Arbeitskräftemangel führte, begann auch die Bundesrepublik Arbeitskräfte im Ausland anzuwerben. [[1955]] wurde der erste Anwerbevertrag mit Italien geschlossen, es folgten weitere Abkommen mit Spanien und Griechenland [[1960]]. [[1961]] wurde schließlich ein Abkommen mit der Türkei, [[1963]] mit Marokko, und ab [[1964]] mit Portugal, Tunesien ([[1965]]) und Jugoslawien ([[1967]]) geschlossen. Allerdings wirkte sich quantitativ der Zuzug ausländischer Arbeitskräfte anfänglich nur wenig aus, da der Arbeitskräftebedarf bis zum Bau der Berliner Mauer [[1961]] weitgehend mit übergesiedelten Personen aus der DDR abgedeckt wurden konnte. Erst im Anschluss an den Bau der Mauer und der Abschottung der Grenzen zur BRD durch die DDR-Regierung wurden ausländische Arbeitskräfte in großer Zahl angeworben. [[1964]] konnte der 1.000.000 Gastarbeiter in Köln begrüßt werden. Der 38-jährige Armando Rodrigues de Sá aus Portugal bekam zum "Dank" ein Strauß Nelken und ein Moped geschenkt, letzteres steht heute im Haus der Geschichte in Bonn.<ref>Deutschlandfunk Kalenderblatt 10. September 2014: Ein Moped für Armando Rodrigues de Sá, online abgerufen am 4. Juli 2018 | 7:45 Uhr - [https://www.deutschlandfunk.de/millionster-gastarbeiter-vor-50-jahren-ein-moped-fuer.871.de.html?dram:article_id=296998 online]</ref> [[1973]], als in Folge der Ölkrise ein Anwerbestopp verhängt wurde, lebten knapp 4 Millionen Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland.<ref>Bundeszentrale für politische Bildung: Geschichte der Zuwanderung in Deutschland nach 1950 - online abgerufen am 4. Juli 2018 - 7:43 Uhr - [http://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/138012/geschichte-der-zuwanderung-nach-deutschland-nach-1950?p=all online]</ref> Entgegen dem allgemein gültigen Narrativ, dass überwiegend Männer als Gastarbeiter angeworben wurden und ins Land kamen um dann später ihre Familien nachkommen ließen, weisen heute erste Forschungen darauf hin, dass unter den ersten Gastarbeitern auch ca. 1/3 Frauen waren.
Ende der 1940er-Jahre ebbte der durch den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] verursachte Zuzug von [[Heimatvertriebene|Flüchtlingen und Vertriebenen]] ab. Mitte der 1950er-Jahre, als das Wirtschaftswachstum zunehmend zu einem Arbeitskräftemangel führte, begann auch die Bundesrepublik Arbeitskräfte im Ausland anzuwerben. [[1955]] wurde der erste Anwerbevertrag mit Italien geschlossen, es folgten weitere Abkommen mit Spanien und Griechenland [[1960]]. [[1961]] wurde schließlich ein Abkommen mit der Türkei, [[1963]] mit Marokko, und ab [[1964]] mit Portugal, Tunesien ([[1965]]) und Jugoslawien ([[1967]]) geschlossen. Allerdings wirkte sich quantitativ der Zuzug ausländischer Arbeitskräfte anfänglich nur wenig aus, da der Arbeitskräftebedarf bis zum Bau der Berliner Mauer [[1961]] weitgehend mit übergesiedelten Personen aus der DDR abgedeckt wurden konnte. Erst im Anschluss an den Bau der Mauer und der Abschottung der Grenzen zur BRD durch die DDR-Regierung wurden ausländische Arbeitskräfte in großer Zahl angeworben. [[1964]] konnte der 1.000.000 Gastarbeiter in Köln begrüßt werden. Der 38-jährige Armando Rodrigues de Sá aus Portugal bekam zum "Dank" ein Strauß Nelken und ein Moped geschenkt, letzteres steht heute im Haus der Geschichte in Bonn.<ref>Deutschlandfunk Kalenderblatt 10. September 2014: Ein Moped für Armando Rodrigues de Sá, online abgerufen am 4. Juli 2018 | 7:45 Uhr - [https://www.deutschlandfunk.de/millionster-gastarbeiter-vor-50-jahren-ein-moped-fuer.871.de.html?dram:article_id=296998 online]</ref> [[1973]], als in Folge der Ölkrise ein Anwerbestopp verhängt wurde, lebten knapp 4 Millionen Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland.<ref>Bundeszentrale für politische Bildung: Geschichte der Zuwanderung in Deutschland nach 1950 - online abgerufen am 4. Juli 2018 - 7:43 Uhr - [http://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/138012/geschichte-der-zuwanderung-nach-deutschland-nach-1950?p=all online]</ref> Entgegen dem allgemein gültigen Narrativ, dass überwiegend Männer als Gastarbeiter angeworben wurden und ins Land kamen um dann später ihre Familien nachkommen ließen, weisen heute erste Forschungen darauf hin, dass unter den ersten Gastarbeitern auch ca. 1/3 Frauen waren.


== Anwerbestopp 1973 ==
== Anwerbestopp 1973 ==
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:''29 frisch eingereiste italienische Arbeiter finden seit heute im Arbeiterjugendwohlfahrtsheim „Sonnenland“ eine provisorische Unterkunft. Die Arbeiter sind bei Standard Lorenz in Nürnberg beschäftigt. Die jetzigen Sonnenland-Bewohner kommen fast alle aus den Abruzzen, einer armen Gebirgsgegend in Mittelitalien. Die meisten von ihnen waren in der Heimat landwirtschaftliche Saisonarbeiter. Sie stehen im Alter zwischen 22 und 35 Jahren. Mit Hilfe eines Omnibusses werden sie täglich zur Arbeitsstelle hin- und zurückgebracht. Auch im Schullandheim in Cadolzburg sind seit heute ausländische Arbeiter; 80 Spanier, die bei der Firma Schickedanz arbeiten. Sie werden einen Monat lang in Cadolzburg wohnen, bis das neue Wohnheim der Arbeiter in Nürnberg fertiggestellt sein wird.''
:''29 frisch eingereiste italienische Arbeiter finden seit heute im Arbeiterjugendwohlfahrtsheim „Sonnenland“ eine provisorische Unterkunft. Die Arbeiter sind bei Standard Lorenz in Nürnberg beschäftigt. Die jetzigen Sonnenland-Bewohner kommen fast alle aus den Abruzzen, einer armen Gebirgsgegend in Mittelitalien. Die meisten von ihnen waren in der Heimat landwirtschaftliche Saisonarbeiter. Sie stehen im Alter zwischen 22 und 35 Jahren. Mit Hilfe eines Omnibusses werden sie täglich zur Arbeitsstelle hin- und zurückgebracht. Auch im Schullandheim in Cadolzburg sind seit heute ausländische Arbeiter; 80 Spanier, die bei der Firma Schickedanz arbeiten. Sie werden einen Monat lang in Cadolzburg wohnen, bis das neue Wohnheim der Arbeiter in Nürnberg fertiggestellt sein wird.''


Allerdings kam es in Fürth bald zu ersten Schwierigkeiten, da die Gastarbeiter rein zahlenmäßig sich in der Altstadt Fürths konzentrierten. Diese Ghettobildung entstand eher aus der Not heraus und weniger als geplanter Prozess der Stadtverwaltung. Der Umstand, dass die Gastarbeiter in den Neubausiedlungen auf der [[Hardhöhe]] oder z. B. auf der [[Schwand]] keinen bezahlbaren Wohnraum fanden, drängte diese auf den inzwischen zum Teil leerstehenden ehemaligen [[Gänsberg]]. Bedingt durch die [[Flächensanierung]]spläne der Stadt Fürth standen viele Wohnungen und Häuser leer - in zum Teil erbärmlichen Verhältnissen. In der Folge wurden diese Wohnungen zum Teil zu Höchstpreisen an die Gastarbeiter vermietet - bzw. die Gastarbeiter nahmen letztentlich aus der Not heraus jede Wohnung gleich zu welchem Preis an, da sie sonst keine Alternativen hatten. Das Argument der Hausbesitzer war stets das Gleiche, nämlich das die Gastarbeiter aus Ihren Heimatländern eh keinen besseren Komfort gewohnt seien, so dass die Vermietung der Wohnungen gerechtfertigt sei - auch zu überteuerten Preisen.  
Allerdings kam es in Fürth bald zu ersten Schwierigkeiten, da die Gastarbeiter rein zahlenmäßig sich in der [[Altstadt]] Fürths konzentrierten. Diese Ghettobildung entstand eher aus der Not heraus und weniger als geplanter Prozess der Stadtverwaltung. Der Umstand, dass die Gastarbeiter in den Neubausiedlungen auf der [[Hardhöhe]] oder z. B. auf der [[Schwand]] keinen bezahlbaren Wohnraum fanden, drängte diese auf den inzwischen zum Teil leerstehenden ehemaligen [[Gänsberg]]. Bedingt durch die [[Flächensanierung]]spläne der Stadt Fürth standen viele Wohnungen und Häuser leer - in zum Teil erbärmlichen Verhältnissen. In der Folge wurden diese Wohnungen zum Teil zu Höchstpreisen an die Gastarbeiter vermietet - bzw. die Gastarbeiter nahmen letztentlich aus der Not heraus jede Wohnung gleich zu welchem Preis an, da sie sonst keine Alternativen hatten. Das Argument der Hausbesitzer war stets das Gleiche, nämlich das die Gastarbeiter aus Ihren Heimatländern eh keinen besseren Komfort gewohnt seien, so dass die Vermietung der Wohnungen gerechtfertigt sei - auch zu überteuerten Preisen.  


Damit erwirtschafteten viele Eigentümer im ehemaligen [[Gänsberg]]viertel völlig überteuerte Mieten, sehr zum Verdruss der noch verbliebenen Einheimischen und der Stadt Fürth. Verdruss deshalb, da die Einheimischen durch die Gastarbeiter nun endgültig "verdrängt" wurden und die Gastarbeiter plötzlich für den Hauseigentümer deutlich "lukrativer" waren als die Altmieter. Die Stadt Fürth - die sich erhofft hatte endlich in der [[Flächensanierung]] durch entsprechende Abrisse der Häuser weiter zu kommen, musste hilflos mit ansehen wie sich der [[Gänsberg]] wieder mit immer mehr Menschen bevölkerte und die geplante [[Flächensanierung]] zu scheitern drohte. Die Ansiedlung der Gastarbeiter nahm zum Teil solche Ausmaße an, dass die ortsansässige Presse bzw. das Bay. Fernsehen davon sprach, dass der [[Gänsberg]] inzwischen zu "Klein-Anatolien" mutiert sei, da in manchen Straßen kaum noch deutsche Bewohner anzutreffen seien. Auch durch die spielenden Kinder der Gastarbeiter zwischen den Abbruchhäusern, die nicht selten die Scheiben einschlugen oder Feuer legten, sorgten in der Bevölkerung zusätzlich für Ärger.  
Damit erwirtschafteten viele Eigentümer im ehemaligen [[Gänsberg]]viertel völlig überteuerte Mieten, sehr zum Verdruss der noch verbliebenen Einheimischen und der Stadt Fürth. Verdruss deshalb, da die Einheimischen durch die Gastarbeiter nun endgültig "verdrängt" wurden und die Gastarbeiter plötzlich für den Hauseigentümer deutlich "lukrativer" waren als die Altmieter. Die Stadt Fürth - die sich erhofft hatte endlich in der [[Flächensanierung]] durch entsprechende Abrisse der Häuser weiter zu kommen, musste hilflos mit ansehen wie sich der [[Gänsberg]] wieder mit immer mehr Menschen bevölkerte und die geplante [[Flächensanierung]] zu scheitern drohte. Die Ansiedlung der Gastarbeiter nahm zum Teil solche Ausmaße an, dass die ortsansässige Presse bzw. das Bayerische Fernsehen davon sprach, dass der [[Gänsberg]] inzwischen zu "Klein-Anatolien" mutiert sei, da in manchen Straßen kaum noch deutsche Bewohner anzutreffen seien. Auch durch die spielenden Kinder der Gastarbeiter zwischen den Abbruchhäusern, die nicht selten die Scheiben einschlugen oder Feuer legten, sorgten in der Bevölkerung zusätzlich für Ärger.  
[[Datei:Ausländer in Fürth Wohnort.JPG|miniatur|rechts|Wohnort der ausländischen Bürger in der Stadt Fürth, 2010]]
[[Datei:Ausländer in Fürth Wohnort.JPG|miniatur|rechts|Wohnort der ausländischen Bürger in der Stadt Fürth, 2010]]
Nach der Flächensanierung des Gänsberg verlagerte sich der Anteil der Gastarbeiter in anderen Stadtvierteln. Der Autor und Chronist [[Ernst-Ludwig Vogel]] schrieb über das Phänomen 1987 in einer Publikation über den Gänsberg: ''Auch Sanierung und Modernisierung mit etwa anschließender kräftiger Mieterhöhung ist kein Allheilmittel: die Slumbildung verschiebt sich nur nach dem "St. Florians-Prinzip", die Gastarbeiter werden zu "Sanierungs-Normaden". Der Wechsel der Fürther Türken vom alten Gänsberg ins St. Michaels-Viertel hat dies gezeigt. Auf dem neuen Gänsberg, nach erfolgreicher Sanierung, wohnen dagegen so gut wie keine türkischen Gastarbeiter.''<ref>Ernst-Ludwig-Vogel: Vergessene Stadt - Auf Spurensuche in der Fürther Altstadt, Grafische Werkstätte Graf, Fürth, 1987, S. 11 ff.</ref> Heute verteilten sich die Gastarbeiter über verschiedene Teile des Stadtgebietes. So fanden viele Gastarbeiter vor allem im verbliebenen Teil der Altstadt, in der nördlichen [[Südstadt]] und Teilen der [[Oststadt]] ihr neues Domizil. Durch die in den 2010er Jahren einsetzende Nachverdichtung der Südstadt und Teilen der Oststadt werden inzwischen auch hier die Bewohner mit Migrationshintergrund erneut verdrängt.
Nach der Flächensanierung des Gänsberg verlagerte sich der Anteil der Gastarbeiter in andere Stadtviertel. Der Autor und Chronist [[Ernst-Ludwig Vogel]] schrieb über das Phänomen 1987 in einer Publikation über den Gänsberg: ''Auch Sanierung und Modernisierung mit etwa anschließender kräftiger Mieterhöhung ist kein Allheilmittel: die Slumbildung verschiebt sich nur nach dem "St. Florians-Prinzip", die Gastarbeiter werden zu "Sanierungs-Normaden". Der Wechsel der Fürther Türken vom alten Gänsberg ins St. Michaels-Viertel hat dies gezeigt. Auf dem neuen Gänsberg, nach erfolgreicher Sanierung, wohnen dagegen so gut wie keine türkischen Gastarbeiter.''<ref>Ernst-Ludwig-Vogel: Vergessene Stadt - Auf Spurensuche in der Fürther Altstadt, Grafische Werkstätte Graf, Fürth, 1987, S. 11 ff.</ref> Heute verteilten sich die Gastarbeiter über verschiedene Teile des Stadtgebietes. So fanden viele Gastarbeiter vor allem im verbliebenen Teil der Altstadt, in der nördlichen [[Südstadt]] und Teilen der [[Oststadt]] ihr neues Domizil. Durch die in den 2010er Jahren einsetzende Nachverdichtung der Südstadt und Teilen der Oststadt werden inzwischen auch hier die Bewohner mit Migrationshintergrund erneut verdrängt.


== Denkmal in Fürth ==
== Denkmal in Fürth ==
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== Bilder ==
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{{Bilder dieses Ereignisses}}
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[[Kategorie:Geschichte]]
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[[Kategorie:Innenstadt]]
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