Louis Kissinger: Unterschied zwischen den Versionen

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== Neuanfang in der USA ==
== Neuanfang in der USA ==
Für Louis Kissinger ist die Ankunft in den Vereinigten Staaten ein Kulturschock. Aufgrund seines hohen Anspruches an sich und seinen Beruf als Lehrer, kann er nicht an seine urprüngliche Form anknüpfen. Der Beruf des Lehrers scheint für ihn unerreichbar, zumal er im Englischen sehr unsicher ist. Es folgt eine Zeit der Depression für Kissinger, die seine Frau Paula zum handeln zwingt. Die deutlich jüngere Ehefrau kann sich besser anpassen und mit Hilfe ihrer Sprachkenntnisse gelingt ihr die notwendige Integration. Sie kommt über das "Council of Jewish Women" in das Dienstleistungsgewerbe und erlernt den Beruf der Köchin, auch wenn sie das Kochen nach eigenen Angaben haßt. Paula Kissinger bietet bald einen Partyservice an, so dass das Einkommen der Familie gesichert scheint. Die Söhne unterstützen die Familie, in dem sie vor Schulbeginn die Zeitung austragen oder in einer Rasiererpinselfabrik arbeiten. 1940 findet Louis Kissinger wieder eine Anstellung, jedoch nicht als Lehrer sondern als Buchhalter einer metallverarbeitenden Firma. Durch das Einkommen von Louis Kissinger und durch den zunehemden Erfolg Paula Kissingers - auch im Bereich des nicht-koscheren Essens - kann sich die Familie wieder fangen und in ein besseres Viertel Washington Heights umziehen.
Für Louis Kissinger ist die Ankunft in den Vereinigten Staaten ein Kulturschock. Aufgrund seines hohen Anspruches an sich und seinen Beruf als Lehrer, kann er nicht an seine urprüngliche Form anknüpfen. Der Beruf des Lehrers scheint für ihn unerreichbar, zumal er im Englischen sehr unsicher ist. Es folgt eine Zeit der Depression für Kissinger, die seine Frau Paula zum handeln zwingt. Die deutlich jüngere Ehefrau kann sich besser anpassen und mit Hilfe ihrer Sprachkenntnisse gelingt ihr die notwendige Integration. Sie kommt über das "Council of Jewish Women" in das Dienstleistungsgewerbe und erlernt den Beruf der Köchin, auch wenn sie das Kochen nach eigenen Angaben haßt. Paula Kissinger bietet bald einen Partyservice an, so dass das Einkommen der Familie gesichert scheint. Die Söhne unterstützen die Familie, in dem sie vor Schulbeginn die Zeitung austragen oder in einer Rasiererpinselfabrik arbeiten. 1940 findet Louis Kissinger wieder eine Anstellung, jedoch nicht als Lehrer sondern als Buchhalter einer metallverarbeitenden Firma. Durch das Einkommen von Louis Kissinger und durch den zunehemden Erfolg Paula Kissingers - auch im Bereich des nicht-koscheren Essens - kann sich die Familie wieder fangen und in ein besseres Viertel Washington Heights umziehen. Während die beiden Söhne noch das Studieren anfangen, werden sie zum Kriegsdienst eingezogen.
 
Vorallem an Louis Kissinger schien die psychische Belastung während des 2. Weltkrieges nicht spurlos vorbei zu gehen. Er verharrt während der Kriegsjahre in einer depressiven Grundstimmung. Bald wird er nicht mehr berufsfähig sein, und die Ärzte diagnostizieren zu allem Überfluss auch noch einen Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskrazinom). 1945 kommt es zur Operation Louis Kissingers, wofür Henry Kissinger sogar einige Tage Heimaturlaub bewilligt bekam. Zum Glück stellte sich die todbringende Diagnose als harmlose Gallenblasenentzündung heraus, so dass einer Genesung nichts im Weg stand. Auch die Tatsache, dass beide Söhne den 2. Weltkrieg überlebten, verhalf Louis Kissinger wieder zu vollen Genesung.
 
Auf drängen der Söhne Walter und Henry Kissinger unternehmen Louis und Paula Kissinger 1952 erstmals wieder eine größere Reise nach Europa, um u.a. die Gräber der eigenen Familie und Angehörigen zu besuchen. Die meisten Familienmitglieder, die die Flucht ins rettende Ausland nicht gelang, kam nach Izbica und wurden dort vermutlich in den Gaskammern von Sobibor und Belzec ermordet. Mit dem ersten Besuch schwinden die Ängste, wieder in die Heimat zurück zu kehren, dennoch kehren die Kissingers während der fünfziger Jhre Fürth und Leutershausen den Rücken zu, "wo einst die Heimat" war. Vermutlich ist der Schmerz der Erinnerung zu groß, der nächste Besuch in Fürth wird erst wieder 1975 sein.
 
== Besuch in Fürth 1975 ==
Am 15. Dezember 1975 besucht die Familie Kissinger erneut Fürth. Inzwischen ist Henry Kissinger seit 1973 Außenminister der USA unter Richard Nixon und aufgrund seiner Mitwirkung im Vietnamkrieg  höchst umstritten. Das Bayerische Staatsministerium des Innern ordnet deshalb beim Besuch in Fürth die Sicherheitsstufe II an, und schließt eine "abstraktes Gefährdungsmoment" nicht aus, da man befürchtete das "bestimmte linken Gruppen" den Besuch zum Anlass nehmen, um mit Aktionen auf ihre Organisation und Ziele aufmerksam zu machen<ref>Evi Kurz: Die Kissinger Saga. TLF TimeLineFilm, 2007. S. 168</ref>. Neben einiger amerikanischen Sicherheitsbeamten wurden rund 400 Polizisten bei dem Besuch in Fürth aufgeboten. Nach Berechung der Fürther Nachrichten sind bei dem Besuch Kissingers in Fürth genauso viele Polizisten im Einsatz wie bei einem Besuch von Willy Brandt. Für den Besuch in Fürth wurde eigens aus Bonn ein gepanzerter Mercedes Benz 600 eingeflogen, und während des Besuchs in Fürth kreisten ständig Hubschrauber über den Ort des Aufenthaltes der Gäste. Im festlich geschmückten Stadtheater haben sich 400 geladene Gäste eingefunden, zuvor standen hunderte von Fürthern an der Straße, so dass die New York Times den Besuch in Fürth mit folgenden Worten titelte: "''Kissinger besucht seine Heimatstadt und bekommt großen Applaus''". Im Stadttheater begrüßt der bay. Ministerpräsident Alfons Goppel und der Außenminister Hans-Dittrich-Genscher die Familie Kissinger, die sich sichtlich davon beeindruckt zeigen. Die Nürnberger Nachrichten berichteten am nächsten Tag: "''Wenn etwas rührend war an dieser kurzen Stippvisite eines vielbeschäftigten Stardiplomaten, dann war es die liebe und respektvolle Vater-Sohn-Verhältnis... also ob vor allem die Verbundheit mit dem greisen Vater, mit der immer noch agilen Mutter ihn eine Lücke im randvollen Terminkalender für den Fürther Trip finden ließ.''"<ref>Evi Kurz: Die Kissinger Saga. TLF TimeLineFilm, 2007. S. 170</ref>
 
Im Anschluss findet ein kleiner Festakt mit Fürths Oberbürgermeister Kurt Scherzer und geladenen Gästen im Casion der Stadtsparkasse statt. Dabei übergibt der Bürgermeister von Ermershausen, der auf ausdrücklichen Wunsch von Louis Kissinger eingeladen war, den Eltern nicht nur einen Zinnteller, sondern auch eine Schallplatte "Ermershausen", auf dem ein Bild des Geburtsortes Louis Kissingers zu sehen war. Kurt Scherzer übergibt ein sorgfälltig ausgesuchtes Geschenk, nämlich den zweiten Band der fünf Bücher des jüdischen Pentateuch mit dem Titel "Exodus". Das Buch wurde 1802 von David Zirndorfer gedruckt und zeigt auf dem Titelblatt das Fürther Wappen in den Fängen des preußischen Adlers<ref>Evi Kurz: Die Kissinger Saga. TLF TimeLineFilm, 2007. S. 173</ref>. Anschließend verliest Louis Kissinger eine vorbereitete Rede, die alle mit Spannung erwarteten. Louis Kissinger spricht in Deutsch und gesteht "ich bin kein geborener Fürther, aber ich haben den größten Teil meines Lebens in Deutschland in Fürth verbracht. Hier habe ich meine Familie gegründet, hier wurden meine zwei Söhne geboren, hier waren die glücklichen Jahren meines beruflichen Schaffens." Anschließend spricht Louis Kissinger über Henry Kissinger und seine Rolle im Friedensprozess in Vietnam. Niemand widerspricht ihm, auch wenn es zu diesem Zeitpunkt schon Zweifel an seiner Rolle gab.
 
Im Anschluss an den Festakt geht es zum ersten und einzigen Mal seit 37 Jahren gemeinsam zum isrealtischen Friedhof in Fürth. Falk Stern, Paulas Vater, der Großvater von Henry und Walter Kissinger sind hier beigesetzt, die Öffentlichkeit ist zum ersten Mal an diesem Tag gänzlich ausgeschlossen. Danach geht es im Familienkreis im Park Hotel weiter für die Familie weiter, mit Ausnahme von Henry Kissinger, der bereits auf dem Weg nach Paris ist.
 
Am nächsten Tag besucht Louis und Paula Kissinger Leutershausen, die ihnen unerwartet einen "großen Bahnhof" bereiten. Die Freunde Karl und Babby Hezner aus der Vergangenheit, die bis zuletzt zu Louis Kissinger gehalten haben,  sind bereits verstorben. Lediglich die Töchter Lore und Erika sind noch am Leben und begrüßen die Familie aufs herzlichste. Am Abend des 16. Dezember 1975 trifft Louis Kissinger ehemaliger Schülerinnen aus seiner Lehrerzeit. Am letzten Tag seines Besuches geht es zur Isrealitischen Kultusgemeinde in der Blumenstraße, wo er auch Hugo Oppenheimer wieder sah, bei dessen Eltern er während seiner Junggesellenzeit gewohnt hatte. Letzte Anlaufstelle in Fürth wird nach der Synagoge in der Julienstraße die Tannenstraße - seine letzte Wirkungsstätte in Fürth als Lehrer. Am 18. Dezember 1975 brechen Paula und Louis Kissinger wieder den Rückweg nach Amerika an. Ein erneutes Wiedersehen mit Fürth wird es nicht mehr geben.
 
Louis Kissinger stirbt im Alter von 95 Jahren 1982, seine Frau Paula Kissinger verstirbt am 15. November 1998 im Alter von 98 Jahren in ihrem Apartment an der Fort Washington Avenue 615, dass die Familie 1940 bezogen hatte.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
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